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Archivbild: ein Buk-Flugabwehrsystem.

Foto: AP Photo/Mikhail Metzel, File

Kiew - Nach dem mutmaßlichen Abschuss einer Passagiermaschine mit 298 Menschen an Bord über der umkämpften Ostukraine bleibt noch vieles unklar. Die Nachrichtenagentur dpa hat die wichtigsten Fragen zur Tragödie gebündelt:

Wer war es? 

In dem seit Wochen andauernden Konflikt in der Ostukraine gibt es drei beteiligte Seiten: die prorussischen Rebellen, die prowestliche Führung in Kiew sowie Russland. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach von einem "terroristischen Akt". Er warf den Separatisten vor, die Boeing 777 abgeschossen zu haben - so wie zuletzt mehrere ukrainische Militärflugzeuge. Moskau wiederum gibt Kiew die Schuld an der Eskalation der Lage in der Ostukraine.

Ukrainische Sicherheitsbehörden haben nach eigenen Angaben Telefonate von Rebellen abgehört. Sie sollen beweisen, dass die Rebellen für den Absturz verantwortlich sind, berichtete die "Kyiv Post", die das Gesprächsprotokoll veröffentlicht hat. Ein unabhängige Überprüfung dieser Angaben war vorerst nicht möglich, es ist auch nicht klar, wann das Gespräch geführt wurde.

Nach US-Angaben wurde das Flugzeug wahrscheinlich von Rebellen mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen. Die US-Regierung gehe stark davon aus, dass die Maschine von den Separatisten angegriffen worden sei, sagte ein Regierungsvertreter. Es gebe keinerlei Hinweise, dass die ukrainischen Streitkräfte eine Rakete auf die Boeing abgefeuert hätten, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Ein anderer US-Regierungsvertreter erklärte dagegen, es sei noch unklar, wer das Flugzeug abgeschossen habe.

US-Vizepräsident Joe Biden sagte, es handle sich offenbar nicht um einen Unfall. Vielmehr sei die Maschine wohl abgeschossen worden. US-Präsident Barack Obama telefonierte mit mehreren Staats- und Regierungschefs und forderte eine unabhängige internationale Untersuchung des Absturzes.

Russische Medien wiederum sehen die Verantwortung für den Absturz bei der ukrainischen Regierung. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berief sich auf Augenzeugenberichte, wonach das Flugzeug von einem Kampfjet mit Raketen beschossen worden sei. "Wenige Minuten vor dem Absturz der Boeing wurde am Himmel ein Kampfjet gesichtet", sagte ein Bewohner der Siedlung Hrabowo in einem RIA-Nowosti-Gespräch. "Der Kampfjet feuerte einige Raketen ab, die irgendwo im Himmel explodierten. Danach gingen auf uns Trümmer nieder." Auf den Feldern um Hrabowo lägen jetzt Flugzeugtrümmer verstreut, darunter auch einige große. Viele kleinere Teile würden von Bewohnern in ihren Höfen gefunden.

Der russische Militärexperte Igor Korotschenko meinte dagegen am Donnerstag, der Passagierjet sei von "unprofessionellen ukrainischen Militärs" abgeschossen worden. "Das einzige System, das für die Zerstörung von Zielen in großer Höhe geeignet ist, ist der Komplex Buk, mit dem die ukrainische Armee ausgestattet ist", sagte er.

Kremlchef Wladimir Putin hat der Ukraine die Verantwortung für den Absturz zugeschrieben. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gäbe, sagte der russische Staatschef.

Kann man die Täter überführen?

US-Experten gehen davon aus, dass es eine Boden-Luft-Rakete war, die das Flugzeug in der Reiseflughöhe von 9.100 Metern traf. Anhand von Satellitenaufnahmen lasse sich bisher nicht feststellen, wo genau die Rakete abgefeuert wurde, hieß es. Fachleute von Militär und Geheimdiensten sind aber laut US-Medienberichten dabei, mit Hilfe von mathematischen Formeln und Computern den genauen Ursprungsort der Rakete zu ermitteln.

Wer hat überhaupt die Waffen für so einen Angriff?

Die Separatisten hatten zuletzt mehrfach zugegeben, ukrainische Kampfjets, Transportmaschinen und mehrere Hubschrauber abgeschossen zu haben. Allerdings dürften alle getroffenen Maschinen deutlich niedriger als die Boeing 777-200 geflogen sein. Nach unbestätigten Berichten haben die Aufständischen behauptet, ein Buk-Flugabwehrsystem im Verlauf der Kämpfe erbeutet zu haben. Das in den 80er-Jahren von der sowjetischen Militärindustrie entwickelte Lenkwaffensystem Buk (Buche) kann Ziele in Höhen von bis zu 25.000 Metern treffen.

Die Aufständischen hätten - anders als von ihnen selbst im Juni behauptet - keine einsatzfähigen Waffensysteme dieser Art erobert, sagte der ukrainische Generalstaatsanwalt Witali Jarema am Freitag. Diese Informationen seien auch Präsident Petro Poroschenko und dem nationalen Sicherheitsrat vom ukrainischen Militär übergeben worden.

Die Separatisten hätten zwar im Juni eine Buk-Anlage erobert, die allerdings nicht funktionsfähig gewesen sei. Aus Sicht der Ukraine führt die Spur nach Russland. Demnach soll von dort ein "Buk"-System mit Raketen und Bedienpersonal in die umkämpfte Ostukraine gebracht worden sein.

Wieso flog die MH 017 über das Konfliktgebiet?

Der Überflug von Konfliktgebieten wie etwa der Ostukraine durch Passagiermaschinen ist nach Angaben der deutschen Vereinigung Cockpit nicht unüblich. Das Vorstandsmitglied Markus Wahl sagte der dpa, dass im täglichen Betrieb zum Beispiel der Irak und Afghanistan überflogen würden. Selbst im eskalierten Nahost-Konflikt fliegen internationale Fluggesellschaften weiterhin Tel Aviv an, obwohl die Stadt seit Tagen massiv mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen wird. Manche sind da vorsichtiger: Korean Airlines teilte laut der Agentur ITAR-TASS mit, seit Monaten nicht mehr über die Ostukraine zu fliegen.

Wer leitet die Untersuchung zur Aufklärung des Vorfalls?

Rein rechtlich ist es Aufgabe der ukrainischen Regierung, den Vorfall auf ihrem Staatsgebiet aufklären zu lassen. Allerdings ist die Führung in Kiew selbst in den seit Monaten andauernden Konflikt im Osten des Landes involviert. Wohl auch deshalb haben US-Präsident Obama, die deutsche Bundesregierung und auch die NATO eine internationale Untersuchung gefordert. Wer diese leiten könnte, ist noch unklar. (APA/dpa, 18.7.2014)