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Foto: AP/Bullit Marquez

Eine Artikelserie widmet sich Ideen, die am Kapitalmarkt Orientierung geben.

Illustration: Michaela Köck

Wien - Die Finanzwelt scheint zu einem finsteren Ort geworden zu sein. Schattenbanken gewinnen an Bedeutung. Großanleger nutzen "Dark Pools", um anonym Aktien oder Anleihen zu handeln. Und in geheimen Chatrooms wurden jahrelang Referenzzinssätze wie Libor, an dem Abermilliarden an Krediten hängen, manipuliert.

Doch es besteht kein Grund zur Panik: Helle Köpfe aus dem Finanzbereich und der Wissenschaft haben längst Grubenlampen entwickelt, mit denen Licht in das obskure Dunkel gebracht werden kann. Ihre Ansätze und Werkzeuge, nebulösen Finanzsprech zu entschleiern und so Anlegern eine Orientierungshilfe im Markt zu geben, soll Inhalt einer Artikelserie sein, die im GeldStandard und auf derstandard.at/Geld erscheinen wird.

Ein Beispiel dafür sind Kennzahlen, die der US-Ökonom Robert Shiller entwickelt hat, mit denen sich relativ gut einschätzen lässt, ob sich ein Aktienmarkt in einer Blase befindet und es daher für den Sparer lieber "Hände weg!" heißt.

Hilfe gegen den Hype

Zuerst soll es aber um Methoden gehen, die zwischen kurzfristigen Moden und langfristig aussichtsreichen Märkten zu unterscheiden helfen. Als Irrlicht der Vergangenheit kann man etwa die Marketing-Schöpfung der Bric-Fonds nennen. Diese Vehikel setzten auf die Wirtschaften Brasilien, Russland, Indien und China. Pures Wachstum wurde mit den vier Buchstaben versprochen, Investoren blieb aber wenig Zählbares.

13 Bric-Fonds sind aktuell noch in Österreich zugelassen. Eine Untersuchung des Fondsanalysehauses Lipper für DER STANDARD zeigt, dass die Produkte im Schnitt in den vergangenen fünf Jahren 30 Prozentpunkte weniger Rendite brachten als breiter gestreute, globale Schwellenländerfonds. Gleichzeitig war das Risiko bei den Bric-Fonds höher, gemessen am maximal erlittenen monatlichen Verlust. Das versprochene Wachstum wurde nicht eingelöst.

Drei Wachstumsideen

"Dabei gibt es Ideen und Theorien, die für Anleger nützliche Leitplanken darstellen, um Wachstum in Märkten einzuschätzen", betont Charles Gave. Er ist Mitbegründer des Analysehauses Gavekal Research in Hongkong. Vermögensverwalter und Investoren weltweit beziehen von Gave und seinem Team Studien über aktuelle Entwicklungen in der Weltwirtschaft und darüber, wie diese die Finanzmärkte beeinflussen.

Woher Wachstum kommt und ob es nachhaltig ist, sei eine der wesentlichen Fragen für langfristige Investitionsentscheidungen, sagt Gave. Wenn er Licht in die Wachstumsdunkelheit bringen will, dann bedient er sich etwa der Ideen dreier Ökonomen:

Schöpferische Zerstörung

Es klingt absurd, aber als Investor kann man von "schöpferischer Zerstörung" profitieren. Diesen Ausdruck prägte der österreichische Ökonom Joseph Alois Schumpeter. In seinen Augen sind Innovationen der Wachstumsmotor, doch sie sorgen auch für Verlierer. "Das perfekte Beispiel ist das Unternehmen Uber, es revolutioniert gerade den Taximarkt", sagt Gave. Die App Uber bringt Fahrgäste und private Fahrer zusammen, meist kostengünstiger als das traditionelle Taxiservice. "Es macht für Investoren Sinn, in Ländern zu investieren, die Innovationen zulassen, auch die damit verbundenen Pleiten von alten, etablierten Anbietern." Daher sei der Aktienmarkt im angelsächsischen Raum, gerade in den USA, reicher mit Technologieunternehmen gesegnet.

Großanleger bauen längst auf Schumpeter als Ideengeber. So investiert die Stiftung der US-Eliteuniversität Yale knapp ein Drittel ihres Kapitals (immerhin 21 Milliarden Dollar an Vermögen) in Risikokapital und Private Equity.

Effizienzgewinne in China

Um Effizienz geht es beim klassischen Ökonomen David Ricardo. Er prägte die Ideen des "komparativen Vorteils". Durch freien Handel und Spezialisierung lasse sich Wachstum für alle realisieren. Der Aufstieg Chinas zur globalen Werkbank durch milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur lässt sich für Gave so erklären, und davon haben viele Schwellenländer profitiert. "Ricardianisches Wachstum kann sehr rapide sein, wie man in China gesehen hat. Aber es kommt irgendwann an ein Ende."

Pessimismus à la Malthus

Denn Chinas Wachstum kannte sichtbare Grenzen. Hier kommt der Ökonom Thomas Malthus ins Spiel. Seine Theorie warnt, dass wachsender Wohlstand und Bevölkerung von den natürlichen Ressourcen arg beschränkt sind. Tatsächlich sind die Preise von Kupfer oder Öl ab 2008 im Zuge von Chinas Aufstieg massiv angestiegen. Daher haben andere Märkte als China selbst vom Boom profitiert, etwa die Rohstoffexporteure in Brasilien oder Chile.

Doch Gave warnt vor Pessimismus wegen knapper Ressourcen: "Langfristig schlägt Schumpeter Malthus. Es gibt eben eine Ressource, die unerschöpflich ist, und das ist der menschliche Erfindergeist." Denn hohe Rohstoffpreise locken Innovatoren an - und bringen so neue Techniken, wie etwa Fracking in den USA, auf den Markt. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 18.7.2014)