Professor Kien ist ein Bücher fetischist in höchstem Maße, der in der Privatbibliothek seiner Wohnung die Fenster zumauern lässt, um mehr Fläche für noch mehr Regale zur Verfügung zu haben. Dies hat den für ihn angenehmen Nebeneffekt, von der Welt da draußen noch weniger sehen zu müssen. Menschen: uninteressant.
Peter Kien gibt aber mehr ab als einen schrägen Vogel mit Hang zur Introvertiertheit: Als Hauptfigur in Elias Canettis Roman Die Blendung (1935) ist er einerseits eine auf den Autor gemünzte selbstironische Gelehrtenkarikatur, vor allem aber eine kafkaeske Kunstfigur, die für existenzielle Isolation und letztendlich das Unvermögen steht, einander im Sprechen zu verstehen. "Ein Kopf ohne Welt" ist denn auch der Titel des ersten Romanteils.
In einem zwölfteiligen Hörspiel, das der ORF im Vorjahr mit dem Bayerischen Rundfunk produzierte (Regie: Klaus Buhlert; auch auf CD erhältlich), wird man dieser aufeinandertreffenden Stimmen als wienerisch-berlinerische "Sprachmasken" gewahr.
Folge eins (Ö1, heute, Samstag, ab 14 Uhr) erzählt die fatal-witzige Romangeschichte bis zum verhängnisvollen Heiratsantrag, den Kien (Samuel Finzi) seiner Haushälterin (Birgit Minichmayr) macht. Beim genaueren Hinhören ersteht eine alte Sprachwelt neu auf, samt ihren überkommenen Rollenzuweisungen. Zum Thema "Kinder" meint Professor Kien etwa trocken: "Ihre Pflege erfordert eine Frau. Fürs Kochen genügt eine gewöhnliche Wirtschafterin; für Kinder muss man sich eine Mutter halten."
Elias Canetti, Nobelpreisträger von 1981, würden wohl die Haare zu Berge stehen angesichts unserer Binnen-I-Debatte. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 19./20.7.2014)