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Alexander Pereira will gern als Unbequemer in Erinnerung bleiben.

Foto: APA/EPA/BARBARA GINDL

Salzburg - Es war eine kurze, turbulente Liaison zwischen Alexander Pereira und seiner großen Liebe Salzburger Festspiele. Und doch begannen die ersten Querelen schon 2012, noch ehe das Paar so richtig zusammengezogen war. Wie in fast jeder gröberen Partnerschaftskrise ging es von Beginn an - ums Geld. Der Bräutigam schaffte tüchtig Geld heran, die Eltern der Braut - die Subventionsgeber - knauserten.

Salzburgs Kuratorium drohte, Pereira drohte mit Rücktritt zurück. Und er sah sich flugs nach einer neuen Partnerschaft um: "Man kann doch nicht verlangen, dass ich erst ab 2016 zu suchen beginne und frühestens 2019/20 einen Job antreten könnte." Die neue Flamme, die Pereira prompt erhörte (und ihm in der Zwischenzeit kapriziös das Leben erschwert), hieß Mailänder Scala.

Worauf die Festspiele, gekränkt ob der Zweigleisigkeit, eine rasche Trennung von ihrem umtriebigen Intendanten begehrten. Der wiederum blieb standhaft: "Bis zur letzten Sekunde, die ich hier bin, werde ich die lästige Laus im Pelz der Subventionsgeber sein, um eine Erhöhung sicherzustellen, die den Festspielen das Überleben einigermaßen sichert."

Und, ahnungsvoll: "Am Tag, nachdem der lästige Pereira weg ist, werden die Subventionen erhöht." So ist es auch, 2015 wird es um zweieinhalb Millionen Euro mehr geben.

STANDARD: Erstaunt es Sie, dass tatsächlich eintritt, was Sie prophezeit haben?

Pereira: Dafür habe ich gekämpft! Natürlich spielt der Bauernopfereffekt eine gewisse Rolle, Hauptsache, die Festspiele profitieren davon. Aber wenn wir heuer 13,5 Millionen Euro aus öffentlicher Hand bekommen, ist das keine Subvention, sondern ein Kredit, den wir im gleichen Jahr mit Wucherzinsen zurückzahlen! Wir zahlen wesentlich mehr an Steuern und Sozialabgaben - nämlich 16,2 Millionen Euro -, als wir an Subventionen bekommen. Als ich bestellt wurde, war ich so gerührt, dass ich keine sorgfältige Finanzanalyse gemacht habe. Sonst hätte ich noch vor Amtsantritt gesagt, dass man unter diesen Umständen nicht arbeiten kann.

STANDARD: In der Zwischenzeit gibt es einen neuen Kulturminister: Macht es einen Unterschied, wer Wirkungsmacht hat: Josef Ostermayer oder Claudia Schmied?

Pereira: Das kann ich nicht beurteilen. Was mich aber beunruhigt: Im Kulturministerium begreift man noch nicht, dass man das österreichische Kulturerbe auf das Schlimmste beschädigt, wenn man seit 1998 die Tariflohnerhöhung nicht bezahlt. Es ist ja verrückt: Auf der einen Seite bestimmt der Staat die Tariflohnerhöhungen, und er zahlt sie auch seinen eigenen Angestellten bei der Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr etc. Aber sobald es sich um eine Kulturinstitution handelt, soll die das Geld selber auftreiben. Wenn wir in Krisenzeiten die Kunst schwächen, statt sie zu stärken, schadet diese Politik à la longue den Salzburger Festspielen, oder, präzise gesagt, der Republik Österreich. Für das Burgtheater, die Staats- und die Volksoper stellt sich die Situation ähnlich dramatisch dar. Und der Minister sagt nur: "Es gibt nicht mehr!" Solche Ankündigungen kann er nur machen, wenn ihm Kultur egal ist.

STANDARD: Sie sind berühmt-berüchtigt für Sponsorenakquise. Aber wichtige Sponsoren wie die für das Young Directors Project (YDP) oder das Young Singers Project (YSP) sind den Salzburgern abhandengekommen. Warum?

Pereira: 2014 gibt es sowohl YDP als auch YSP. Was 2015 ist, müssen Sie bei denen nachfragen, die dafür verantwortlich sind.

STANDARD: Hat deren Rückzug mit Ihrem Weggang zu tun?

Pereira: Ich habe auch dafür gesorgt, dass Sponsoren geblieben sind und geholfen, welche für 2015 und 2016 zu suchen. Aber ich kann niemanden zwingen, vor allem nicht meine persönlichen Freunde und Unterstützer, dass sie für immer und ewig in Salzburg bleiben. Die sind mir natürlich verbunden. Aber darum geht es gar nicht, man kann immer wieder neue Sponsoren auftreiben. Sondern es geht darum, dass der Staat seine Pflicht erfüllt.

STANDARD: Von Österreich nach Italien: ein Wechsel vom Regen in die Traufe, angesichts der desaströsen italienischen Kulturpolitik?

Pereira: Es ist sicherlich eine Herausforderung. Aber ich möchte mich ungern zur italienischen Kulturpolitik äußern, ich habe noch keine Erfahrungen mit ihr gemacht. Reden wir in sechs Monaten, dann bin ich klüger.

STANDARD: Einige unliebsame Erfahrungen haben Sie schon gemacht. Ihre Scala-Tätigkeit ist vorderhand auf ein Jahr limitiert.

Pereira: Die Wogen haben sich geglättet, alle wollen, dass es ein Erfolg wird.

STANDARD: Worauf freuen Sie sich bei Ihren letzten Festspielen am meisten?

Pereira: Ich habe ja drei Stücke in Auftrag gegeben, bei György Kurtág, Marc-André Dalbavie und Thomas Adès. Auf die Uraufführung von Dalbavies Charlotte Salomon heuer freue ich mich besonders. Dass der Dirigent jederzeit mit dem Komponisten reden kann, weil sie eine Personalunion sind, hat dazu geführt, dass Regisseur Luc Bondy während der Probenarbeit meinte, ein Zwischenspiel wäre interessant oder ein Epilog, und Dalbavie hat es in Windeseile komponiert. Seit dem ersten Tag in Salzburg habe ich mir gewünscht, Fierrabras zu machen. Erstmals wird in Salzburg eine Schubert-Oper aufgeführt. Oder Der Rosenkavalier: Sicher könnte man einwenden, dass es andere Strauss-Opern gibt. Aber es ist sein Hauptwerk und im Jubiläumsjahr eine große Herausforderung. Und natürlich freue ich mich jetzt auf die Ouverture spirituelle, etwa auf die Sufis aus Kairo. Sie ist eine Möglichkeit, die Festspiele in einer Zeit, in der die Menschen nicht gerade toleranter werden, zu positionieren.

STANDARD: Wie ist die Abschiedsstimmung in Salzburg?

Pereira: Nachdem im Direktorium die Probleme ausdiskutiert wurden, ist es harmonisch. Aber natürlich, die Traurigkeit, dass es die letzte Saison ist, ist da. Sonst würde es doch bedeuten, dass man nicht von Herzen und mit Begeisterung hier gearbeitet hat. Andererseits hat mich das Schicksal eben woanders hingeschickt.

STANDARD: Dorthin haben Sie nun auch Ex-Burgtheaterchef Matthias Hartmann eingeladen, der vielen als Persona non grata gilt.

Pereira: Ich habe ihm ein Angebot gemacht, er hat gesagt, er sei interessiert. Mehr ist - noch - nicht. Er ist ein ausgezeichneter Regisseur, und ich empfinde kollektive Verteufelungen immer als furchtbar. Ich habe mich immer für Leute eingesetzt, von denen ich überzeugt war, auch wenn sie in einer schwierigen Situation waren. Hoffnungsschimmer sind ein wichtiger Teil unseres Lebens.

STANDARD: Apropos Unrecht: Wie, glauben Sie, wird man sich in ein paar Jahren an Sie als Festspiel-Intendant erinnern?

Pereira: Ich hoffe, dass man mich mittelfristig als einen vielleicht unbequemen Intendanten in Erinnerung behält, der den Finger auf die Wunden gelegt hat und damit Dinge in Gang gebracht hat, die für die Zukunft der Salzburger Festspiele positiv sind - die Pfingstfestspiele mit Cecilia Bartoli, die Ouverture spirituelle, die Verankerung der geistlichen Musik in Salzburg -, und dass er durch seine Politik der Vielfalt neue Publikumsschichten gewinnen konnte. Und schließlich, dass das Festival dank meiner Bemühungen auf sichereren Beinen steht als in den letzten Jahren vor mir. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 19./20.7.2014)