Ägäis-Inseln aus dem Flugzeugfenster: "Das Universum stoppte, um auf unsere Fußabdrücke zu blicken" lautet der Titel einer Fotoarbeit, die in einer neuen Athener Galerie ausgestellt ist.

Foto: State of Concept

Galerie-Besitzerin Iliana Fokianaki.

Foto: state of concept

Iliana Fokianaki und ihr Terrier Freud sind die griechische Krisenkultur. Eine immer noch jugendliche Rastlosigkeit und eine gewisse Verbissenheit. Tagsüber arbeitet die 34-Jährige als Kulturjournalistin für eine Online- und Sonntagszeitung, abends geht sie mit Freud in ihre Galerie.

"Wir sind wie eigensinnige Kinder", sagt Iliana Fokianaki über die Kunstschaffenden im abgebrannten Griechenland. "Jeder hat seine Depression gehabt, als die Schuldenkrise hereinbrach. Die meisten haben sich gefragt: Kann ich mir das Künstlersein noch leisten, muss ich jetzt aufhören? Dann haben alle weitergemacht, Ateliers geteilt, Geld gesucht. Schon aus reinem Trotz."

Die Kunstkritikerin eröffnete 2013, im fünften Jahr der Rezession, im Athener Viertel Koukaki, südlich der Akropolis, "State of Concept", die erste Non-Profit-Galerie Griechenlands, so sagt sie. Es wird nichts verkauft, nur gezeigt. Derzeit läuft Basim Magdy, ein in der Schweiz lebender ägyptischer Künstler, mit Fotoarbeiten und einem surrealistischen Film über eine Stadt, die Olympische Spiele ausrichten soll und damit scheitert. "Passt recht gut für Athen", sagt Fokianaki.

2004 hatte Griechenland die Sommerspiele organisiert. Keiner glaubte recht, die Griechen würden das hinbekommen. Aber sie überraschten die strengen Europäer im Norden und sonnten sich in der weltweiten Anerkennung. Die Rechnung für Kreditrausch und Vetternwirtschaft kam später.

Seit 2010 werden Griechenlands Finanzen ferngesteuert durch die Troika von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds. Für staatliche Kulturausgaben ist kein Platz in den Vorgaben der Kreditgeber. Allenfalls als Fortsatz für das Tourismusgeschäft: Der konservative Premier Antonis Samaras ordnete längere Öffnungszeiten für die wichtigsten staatlichen Museen und Ausgrabungsstätten an - von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends während der Urlaubszeit.

George Kasimatis, ein emeritierter Verfassungsrechtler, hat im Juni eine Unterschriftensammlung für eine Petition an die Unesco gestartet. Der griechische Staat sei nicht mehr in der Lage, seine antiken Kulturgüter zu bewahren, stellt der Jus-Professor fest. Die UN-Kulturorganisation soll einen Fonds aufstellen. In den ersten drei Jahren der Herrschaft der Kreditgeber ist das Budget des griechischen Kulturministeriums halbiert worden; rund 2000 Bedienstete in Museen, Theatern und anderen Einrichtungen, die vom Geld des Ministeriums abhängen, wurden entlassen.

Museum wartet auf Eröffnung

Moderne Kunst ist erst recht keine Priorität der staatlichen Kulturpolitik. War sie noch nie, heißt es. Aber das ist nicht ganz fair. Ein paar Gehminuten entfernt von Fokianakis Non-Profit-Galerie steht das neue Nationalmuseum für moderne Kunst (EMST). 20.000 Quadratmeter Fläche, ein enormer Glas- und Betonquader zwischen Syngrou-Avenue und Kallirois im umgebauten früheren Gebäude der Brauerei Fix. Nur offen ist das Museum noch nicht. Das Geld für Personal und Betrieb haben sie noch nicht zusammen.

Private Kulturförderer haben in den vergangenen Jahren weitgehend den Staat ersetzt. Das Onassis-Kulturzentrum etwa erhielt diesen Sommer sehr viel Aufmerksamkeit für seine Graffiti-Ausstellung "No Respect" und griff die vor allem in Athen in den Jahren der Wirtschaftskrise zunehmenden Graffiti an Häuserwänden auf. Iasson Tsakonas, ein privater Sammler, hielt an seinem 2007 begonnenen Projekt ReMap fest und bot Räume für zeitgenössische Kunst in den sozial schwachen Athener Vierteln Metaxourgias und Kerameikos an. Die Künstlerin und Sammlerin Florica Kyriakopoulos gründete außerhalb von Nafplio auf dem Peloponnes in einer früheren Konservenfabrik Fougaro, eine Kombination von Atelier, Verkaufs- und Ausstellungsfläche für moderne Kunst und Handwerk. Der Reeder George Economou eröffnete ein Museum für seine Kunstsammlung im Athener Stadtteil Marousi. 

Drei Millionen Euro schoss die Stiftung des Reeders Stavros Niarchos für die Eröffnung des EMST zu, eineinhalb Millionen sollen noch fehlen. Athen hätte dann neben dem 2009 fertiggestellten Akropolis-Museum ein zweites großes Museum. Auch Dimitris Daskalopoulos, ein wichtiger Mäzen, stellt dem EMST einen Fonds bereit.

Daskalopoulos gab seine eigenen Museumspläne auf und startete 2013 Neon - eine Organisation für Installationen im öffentlichen Raum in Athen wie auf den Inseln; er will der verarmten Gesellschaft so moderne Kunst zugänglicher machen. Auch die kleine Galerie von Iliana Fokianaki erhält einen Teil ihrer Unterstützung von ihm. "Ich habe ältere Besucher hier, die sagen: Wir müssen aus dem Haus kommen und Kunst sehen", erzählt Fokianaki. (Markus Bernath, DER STANDARD, 19./20.7.2014)