Chris Lohner - Schauspielerin, Moderatorin und Autorin - fordert Rückkehr zur sprachlichen Normalität.

Ein Gespenst geht um in Österreich, das Gespenst des Binnen-I. Philosophen und Lehrer, Museumsdirektoren und Juristen, Journalisten und Mathematiker, die "Kronen Zeitung" und andere Ästheten stehen laut "Presse" auf gegen die Zerstörung der Sprache und fordern mannhaft, Chris Lohner eingeschlossen, eine Rückkehr zur sprachlichen Normalität, sprich, die Rettung des generischen Maskulinums vor dem frechen Zugriff des Feminismus. Noch nie haben sich seit der letzten Rechtschreibreform so viele männliche Sprachgeneriker Sorgen wegen von oben verordneter Verunstaltungen gemacht, während ihnen die von unten sich ausbreitenden Verunstaltungen in Getwitter, Postings und Boulevardmedien offenbar am Gemächt vorbeigehen. Seit eine in den Fängen des Radikalfeminismus schmachtende Obrigkeit keinen Widerstand gegen die Implantierung von Töchtern in die Bundeshymne zu leisten vermochte, scheinen alle Dämme gebrochen, und je klarer wird, dass Frauen mit einem solchen Ansinnen nicht normal sein können, ist die sprachliche Normalität das Gebot der Stunde. In kurzer Zeit waren rund 800 Normalisierer bereit, in einem Brief an Frau/ Herrn Minister Heinisch-Hosek und Mitterlehner mit Nachdruck die Rückkehr zu besagter Normalität zu fordern.

Die Dringlichkeit ihrer Forderung erschließt sich daraus nicht ganz. Die trotz jahrzehntelanger intensiver Bemühungen gering gebliebene Akzeptanz der feministischen Vorgaben muss zu denken geben, heißt es da. Aber statt zu denken und sich an der gering gebliebenen Akzeptanz der feministischen Vorgaben in Gelassenheit zu erquicken, faseln sie von der Zerstörung der Sprache. Auch die Wissenschaft kommt ihnen zu Hilfe. Eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 2013 kam zum Ergebnis, dass in Printmedien nur bei 0,5 Prozent von Aussagen, die auf beide Geschlechter bezogen sind, getrenntgeschlechtlich formuliert wurde. Bei etwas Realitätssinn müsste ihnen klar sein, dass sich daran auch kaum etwas ändern wird, solange es noch Printmedien gibt.

Wäre da nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Die stellen zwar Frauen, aber egal. Laut jüngsten Umfragen lehnen 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung die gegenwärtige Praxis der Textgestaltung im öffentlichen Bereich ab. Vermutlich annähernd ebenso viele Österreicher und -innen lehnen es in ihrer sprachlichen Normalität ab, die Präposition "ohne" mit dem Akkusativ zu verwenden, und das hat vielmehr mit der gewachsenen Struktur der deutschen Sprache zu tun als ein Binnen-I, der Schrägstrich im Wortinneren oder ein Klammerausdruck zusammen.

Auch egal. Wenn nur durch den Frauenförderungsplan die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zu Unlesbarkeit und Unverständlichkeit zerstört wird! Das kann sogar Frauen aufregen. Das Binnen-I, so "Die Presse", blieb auch unter Feministinnen umstritten: Manche Frauen stießen sich an der "phallischen Form." Und eine solche Er rungenschaft soll, kaum etabliert, schon wieder abgeschafft werden?

Nein, nur der sprachlichen Schönheit haben die Verordner von oben ihr Leben gewiss nicht geweiht, und auch nicht immer einer tieferen Sinnhaftigkeit. Aber deswegen, und weil das Gendern der amtlichen Rechtschreibung widerspreche, ei nen solchen Popanz aufzublasen, ist mit der plötzlich ins Kraut geschossenen Begeisterung für Amt und Normalität nur schwer zu erklären. Jetzt, da es um die Sichtbarmachung von Frauen in Texten geht, pocht man auf die amtliche Rechtschreibung. Als sie in der jetzt geltenden Form eingeführt wurde, gab es ähnliche Proteste gegen die Zerstörung der Sprache.

Die Heilung des Volkes und seiner Sprache vom Genderwahn ist ein altes Anliegen von weit rechts. "Zur Zeit", Mölzers Magazin, tritt es seit Jahren breit. Nun ist das Thema in Kreisen angekommen, die mit dieser politischen Haltung zumeist gar nichts am Hut haben. Aber Forderungen wie die Rückkehr zur sprachlichen Normalität haben einen besonderen Stallgeruch, wenn ausgespart bleibt, um wessen sprachliche Normalität es sich handelt und wer sich anmaßen darf, festzulegen, was normal ist. Einem Volksmusik-Star, der nur noch verkrampften Gender-Wahnsinn wittert, wenn das Wort Töchter in die Bundeshymne rutscht, möchte man das lieber nicht zumuten, und einem Strache noch weniger, wenn er damit die Freiheit der Kunst gefährdet sieht. Da lebt es sich noch immer viel besser mit der "phallischen Form" des Binnen-I. (Günter Traxler, 19./20.7.2014)