Angesichts der Höhe der Entschädigung von umgerechnet 17 Milliarden Euro ist man versucht, dem Vizepräsidenten des US-Tabakkonzerns R. J. Reynolds recht zu geben. "Außer Kontrolle geraten" nennt der Hersteller von Zigarettenmarken wie Camel oder Winston jenen Richtersenat in Florida, der der Witwe eines an Lungenkrebs verstorbenen Kettenrauchers Milliarden-Schadenersatz zusprach. Als "mutig" gegen die mächtige US-Tabakindustrie bezeichnet das nicht rechtskräftige Urteil erwartungsgemäß der Anwalt der Klägerin.

Die Höhe des Schadenersatzes ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Man kann auch sagen jenseitig. Denn heruntergebrochen auf 60 Zigaretten, die der im Alter von 36 Jahren Verstorbene 23 Jahre lang pro Tag geraucht hat, beläuft sich der Schadenersatz auf 41.418 Dollar pro verrauchter Zigarette. Das entspricht in etwa dem verfügbaren persönlichen Jahreseinkommen der Amerikaner.

Man muss sich nicht auf das Niveau der teils absurden Argumente begeben, derer sich die Raucherlobby bedient, wenn es um die Gesundheitsschäden durch Rauchen geht. Das Argument, die Tabakindustrie hätte die negativen Folgen des Rauchens verheimlicht, ist aber nicht weniger irre. Ob dieses Urteil nun hält oder nicht, klar ist: Wer Schiedsgerichte beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP ablehnt, liefert Europas Firmen dem Wilden Westen aus. Das kann nicht im Interesse Europas sein. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 21.7.2014)