Salzburg - Samstagvormittag in Salzburg: Der Himmel so klar und blau wie nie, die letzte Kühle der Mauern der Residenz wird sich bald in heiße Luft auflösen. Im Kies des Tomaselli-Kiosks knirschen die Kellner mit Kaltgetränken zur durstigen Kundschaft.

Weise Worte für erhitzte Geister findet man auch im Programmheft der Ouverture spirituelle. "Die Religion ist wie ein Fluss, der durch viele Länder fließt. Jedes Land gibt diesem Fluss einen anderen Namen und beansprucht diesen womöglich auch noch für sich. Dabei ist der Fluss unabhängig von den Ländern und entspringt darüber hinaus auch einer Quelle", weiß der Sufi-Meister Muzzafer Efendi.

Ja, der Luxusliner Salzburger Festspiele bricht wieder einmal zur großen Kulturkreuzfahrt auf, und auf Geheiß des Kurzzeitkapitäns Alexander Pereira wird davor ein ökumenischer Musikgottesdienst abgehalten. Die heurige, dritte Ouverture spirituelle steht unter dem Motto "Christentum und Islam" - ein in Kairo beheimateter Sufi-Orden wird hierbei etwa Hörproben seiner ekstatischen Gottespreisung darbieten.

Zu Beginn waren aber erst einmal zwei biblische Geschichtsstunden der pittoresken Art angesagt: Mit Haydns Oratorium Die Schöpfung wurde die Festspielouvertüre eröffnet. Wer das Werk einmal von Nikolaus Harnoncourt und dem Concentus Musicus interpretiert hören durfte, weiß, was überirdisches Glück bedeutet - doch Harnoncourt hat ja Mozarts letzte drei Symphonien zu einem Oratorium erklärt und macht heuer ebendiese(s).

Lächeln, Leute!

Also mussten Bernhard Haitink und das BR-Symphonieorchester ran. Das eingespielte Team (Die Schöpfung wurde eben erst auf CD aufgenommen) machte so ein bisschen auf Originalklang (fast kein Vibrato, eher schlanke Besetzung), in Kombination mit dem modernen Instrumentarium und dem limitiert initiativkräftigen Spiel der Orchestermusiker entstand daraus aber nur eine eher farbschwache Hybriddeutung.

Haitink wechselte zwischen gestrengem General und gutmütig-sanftem Pater familias; der Chor des Bayerischen Rundfunks versagte bei der Aufgabe, den positiven Geist des Werks zu transportieren. Dabei wäre die geschilderte göttliche Unternehmung doch eine hundertprozentige Erfolgsstory! Lächeln, Leute!

Zum Glück nahm sich Camilla Tilling der Stimmungsmache an und präsentierte ihren Part mit komödiantischer Keckheit; Hanno Müller-Brachmann gefiel nach einem eher defensiven Beginn mit der hellen Schärfe seines Bassbaritons im Forte. Mark Padmores Tenor behielt auch im Piano immer noch einen festen Kern und blieb in der Attacke elastisch und geschmeidig: traumhaft.

Vom Kernland der Klassik in den Grenzbereich zwischen Renaissance und Barock, vom Großen Festspielhaus in den Dom - selbst in der Backofenhitze ein wohltemperierter, idealer Spielort. Was die Akustik anbelangt, weniger: Speziell in den polyphonen Chorpassagen von Claudio Monteverdis Marienvesper verschmolzen die Chorstimmen oft zu einem breiigen Cluster. Dabei sang der Monteverdi Choir herzverzückend feinnervig.

John Eliot Gardiner nutzte alle Balkone und Emporen des Doms, um vielfältige Raumklangwirkungen zu erzielen. In der Artistik, der Frische, der Genauigkeit des Musizierens standen die English Baroque Soloists dem Chor in nichts nach: wundervoll, mit welchen feinen Farben Monteverdis Prachtwerk wiedererstand. Gloria in excelsis Gardiner. (Stefan Ender, DER STANDARD, 21.7.2014)