Weißbüschelaffen zählen zu den Neuweltaffen und sind in Südamerika beheimatet. Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit analysierten Wissenschafter das gesamte Erbgut der Art.

Foto: Hans Novak / Haus des Meeres

Wien - Die in Südamerika beheimateten Weißbüschelaffen unterscheiden sich hinsichtlich einiger Merkmale von anderen Primate: So werden sie nur etwa 20 Zentimeter groß und gebären fast nur Zwillinge. Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung konnte nun die genetischen Ursachen dafür identifizieren und präsentiert die Erkenntnisse im Fachblatt "Nature Genetics".

Die Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) sind genetisch weiter entfernt vom Menschen als die Menschenaffen und die Makaken, deren Genome bereits sequenziert wurden. "Gerade diese genetische Distanz und die besondere Position der Neuweltaffen im Primatenstammbaum liefert nun wichtige Erkenntnisse über die evolutionären Wurzeln des Menschen", so die Bioinformatikerin Carolin Kosiol von der Vetmeduni Vienna.

Die Weißbüschelaffen gehören zur Familie der Krallenaffen. Sie leben ausschließlich in Südamerika und sind nur etwa 20 Zentimeter klein. Ihr Kleinwuchs ist jedoch nicht die einzige biologische Besonderheit. Die Weißbüschelaffen haben auch ganz besondere Strategien, wenn es um die Fortpflanzung geht. Innerhalb einer Gruppe pflanzt sich lediglich ein dominantes Paar fort. Alle anderen Gruppenmitglieder helfen bei der Aufzucht der Jungtiere, produzieren aber selbst keine Nachkommen. Das dominante Pärchen kann sich also sehr rasch reproduzieren, da es von den Gruppenmitgliedern intensiv unterstützt wird.

Hoher Selektionsdruck

Das internationale Team um Humangenetikerin Kim Worley vom Baylor College of Medicine in Texas, USA, untersuchte im Rahmen der Studie die genetischen Grundlagen des Kleinwuchses bei den Weißbüschelaffen. Die Fachleute verglichen DNA-Sequenzen verschiedener Affenarten und fanden bestimmte Gene, die einer positiven Selektion unterliegen. Diese Gene evolvieren besonders schnell, das heißt, die Rate der protein-verändernden Mutationen ist höher als die Rate der Mutationen die keine Veränderung der Proteinfunktion verursachen.

Dies ist ein Hinweis darauf, dass diese Gene einem besonders hohen Selektionsdruck unterliegen ihre Funktion zu verändern und damit den Organismus an neue Umweltbedingungen anzupassen. Beispielsweise unterliegt eine Gruppe von Wachstumshormon-Genen (GH-IGF) dieser positiven Selektion und ist vermutlich für den Kleinwuchs der Affen verantwortlich. Zusätzlich wurden auch Spuren der positiven Selektion auf Stoffwechsel- und Körpertemperaturgene, die in Verbindung mit einer kleinen Körpergröße stehen, gefunden.

Besseren Verständnis von Mehrlingsschwangerschaften beim Menschen

Die Studie liefert auch ein besseres Verständnis von Zwillingsgeburten. Im Unterschied zum Menschen gebären Weißbüschelaffen fast ausschließlich Zwillinge. Zwillingsgeburten bei Weißbüschelaffen laufen im Gegensatz zum Menschen ohne Komplikationen ab.

Die ExpertInnen identifizierten das sogenannte WFIKKN1-Gen, das mit Zwillingsgeburten assoziiert sein dürfte. "Die Mutationen, die das Weißbüschel-Gen aufweist, waren wahrscheinlich der entscheidende ‚Schalter‘, der von den in Primaten üblichen Einzel- zu Zwillingsgeburten geführt hat ", so Kosiol. Die Erkenntnisse könnten auch zu einem besseren Verständnis von Mehrlingsschwangerschaften beim Menschen beitragen.

Weißbüschelaffen-Zwillinge sind grundsätzlich zweieiig, entstehen also aus zwei unterschiedlichen Eizellen, die sich genetisch unterscheiden. Allerdings besitzen diese Zwillinge immer einen 10 bis 50-prozentigen Anteil der Blutzellen ihres Geschwister-Zwillings. Die Zwillinge tauschen also bereits im Uterus Blutstammzellen aus und werden so zu genetischen Chimären, eine Besonderheit der Weißbüschelaffen. "Die Genetik der Primaten ist besonders interessant für unser Verständnis der Evolution von Primaten, Menschen und der Arten im Allgemeinen", erklärt Co-Autorin Carolin Kosiol. "Die Evolution hat Spuren im Genom hinterlassen, durch den Vergleich von Genomen können wir diese nun erforschen." (red, derStandard.at, 27.07.2014)