Die beiden neu entdeckten Kalkschwamm-Arten: Clathrina broendsted (links) und Leucetta weddelliana wurde aus ungewöhnlich großer Tiefe geholt.

Fotos: Senckenberg

Frankfurt - Ein internationales Forscherteam hat im antarktischen Weddell-Meer zwei neu Kalkschwamm-Arten entdeckt. Bisher wurden rund um die Antarktis insgesamt 50 Arten dieser alten Tiergruppe mit Kalkskeletten beschrieben. 44 der Kalkschwammarten gibt es ausschließlich in den antarktischen Gewässern.

Kalkschwämme sind meist nur wenige Zentimeter groß, haben ein fragiles Skelett und werden häufig als reine Flachwasserbewohner beschrieben. "Es gibt sie aber durchaus auch in tieferen Gewässern", erklärt Dorte Janussen, Meeresbiologin am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. "Die geringe Größe und die Zerbrechlichkeit der kalkigen Skelett-Elemente dieser Schwämme ist wohl ein Grund dafür, dass bisher nicht viele der im Tiefwasser lebenden Organismen entdeckt wurden."

Janussen und ihr Doktorand Christian Göcke haben nun – gemeinsam mit dänischen und norwegischen Kollegen – zwei neue Arten antarktischer Kalkschwämme beschrieben. "Wir haben die Schwämme bei einer Expedition im Jahr 2008 aus einer Tiefe von etwa 600 Metern aus dem antarktischen Weddellmeer geborgen", erzählt die Meeresbiologin. "Die Schwammfauna im antarktischen Ozean ist einzigartig. Nur sechs der 50 dort lebenden Kalkschwammarten wurden auch in anderen Gebieten gefunden".

Kalkschwämme in überraschend großer Tiefe

Janussen hatte vor rund zehn Jahren die ersten in der antarktischen Tiefsee gefundenen Kalkschwämme beschrieben: Die Schwämme Dermatreton scotti und Guancha sp. wurden aus einer Tiefe von 1.120 Metern, der Schwamm Pericharax sogar aus 4.065 Metern Tiefe an Deck des Forschungsschiffes Polarstern geholt. "Das Vorkommen von kalkigen Organismen unterhalb von 4.000 Metern und damit unterhalb der Karbonat-Kompensations-Tiefe ist wirklich erstaunlich", betont Janussen. Aufgrund des hohen Kohlendioxid-Partialdrucks löse sich Kalk normalerweise unterhalb dieser Grenze auf. Die Skelette der von Forschern gefundenen Schwämme zeigen aber keinerlei Zeichen der Auflösung."

Die Wissenschafterin vermutet, dass eine im Mikroskop beobachtete organische Lamelle oder Membran das kalkige Skelett der Schwämme vor dem umgebenden Meerwasser schützt.

"Bisher wurden aus Tiefen unter 2.000 Metern nur vereinzelt Kalkschwammarten beschrieben", erzählt Janussen. "Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Sammelmethoden in der Tiefsee – besonders für kleine, zerbrechliche Meeresbewohner – nicht immer geeignet sind, um alle dort lebenden Tiere zu erfassen." Die neusten Entdeckungen in der Antarktis, die im Fachjournal "Zootaxa" beschrieben werden, zeigen aber, dass Kalkschwämme keineswegs "Exoten" unter den Tiefwasserbewohnern sind und deren Artenvielfalt wahrscheinlich viel höher ist, als bisher angenommen. (red, derStandard.at, 26.07.2014)