St. Georgen blickt auf eine wechselvolle Geschichte mit dem Erstaufnahmezentrum Thalham. Der Bürgermeister sähe eine Schließung positiv.

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Thalham/Linz/Wien - "Es hat damals Momente gegeben, da wollte ich wirklich alles hinhauen" - Wilhelm Auzinger blickt nachdenklich aus dem Rathaus-Fenster über den kleinen Marktplatz von St. Georgen im Attergau.

Damals, das war im Mai 2004, als das Innenministerium die langjährige Flüchtlingsbetreuungsstelle Thalham in eines von zwei Asyl-Erstaufnahmezentren umwandelte. Da fand die Tourismus-Idylle im nahen St. Georgen plötzlich ein jähes Ende. Geschäftsleute klagten über Ladendiebstähle, Frauen aus dem Ort berichteten von sexuellen Belästigungen, Hoteliers fürchteten ein Ausbleiben der Gäste. Und Bürgermeister Auzinger war der Puffer zwischen der aufgebrachten Bevölkerung und der Politik.

Erst mit der Festlegung einer Maximal-Belegzahl von 120 Flüchtlingen im April 2010 entschärfte sich die Situation im Ort. "Heute ist so weit alles im grünen Bereich. Es gibt kaum Probleme", erzählt Auzinger im Gespräch mit dem STANDARD.

"Zum BMI durchgeklingelt"

Damit dies auch künftig so bleibt, hat Auzinger Montagfrüh "gleich mal zum Innenministerium durchgeklingelt". Das Gespräch sei zufriedenstellend gelaufen: "Einer Auflösung der Erstaufnahmezentren stehe ich durchaus positiv gegenüber. Eine Verteilung auf ganz Österreich ist nur gerecht." Bereits vor einem halben Jahr habe man ihm vonseiten des Innenministeriums mitgeteilt, dass sich "was ändern werde". Auzinger: "Jetzt hat man mir gesagt, dass es gut ein Jahr dauern wird, bis die Umstellung durch ist." Wie berichtet will Innenministerin Johann Mikl-Leitner (ÖVP) Asylwerber in den jeweiligen Bundesländern unterbringen, in denen sie um Asyl ersucht haben - ohne den "Umweg" über Erstaufnahmezentren wie Thalham.

Bewegt man sich heute durch St. Georgen, ist ein markanter Unterschied zu den letzten Jahren erkennbar. Ein Grund für den Frieden im Ort wird nur hinter vorgehaltener Hand genannt: Das Erstaufnahmezentrum ist ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor in einer Region, die vor allem vom Sommertourismus lebt. 100 Mitarbeiter sind in Thalham ständig beschäftigt. Diese leben, wohnen und machen ihre Einkäufe vorwiegend im nahen St. Georgen.

1.362 statt 480 Asylwerber

Auch im niederösterreichischen Traiskirchen stellt das Erstaufnahmezentrum einen Wirtschaftsfaktor dar, allerdings ist das Lager immer wieder extrem überbelegt. Laut Innenministerium hielten sich dort am Montag statt der vereinbarten 480 Flüchtlinge 1.362 Flüchtlinge auf. Ein Umstand, den die Volksanwaltschaft kritisiert - die eine bessere Aufteilung der Flüchtlinge im Allgemeinen befürwortet.

Bei den Bundesländern ruft Mikl-Leitners Vorstoß allerdings Skepsis hervor, auch Wien gab sich am Montag doch skeptisch abwartend. Damit steht einzig Niederösterreich der Idee bislang eindeutig positiv gegenüber. In Salzburg und Tirol wie auch im Verteidigungsministerium - Gerald Klug (SPÖ) gilt als Spiegelminister Mikl-Leitners - hieß es, man wolle erst den konkreten Vorschlag auf dem Tisch haben, bevor man ihn beurteilen könne.

"Noch nicht ganz erfasst"

Im Innenministerium quittierte ein Sprecher die Reaktionen mit den Worten, "einige scheinen noch nicht ganz erfasst zu haben, worum es geht". Im September sollen die Länder dazu konferieren, nächsten Sommer soll das Konzept in die Umsetzung gehen.

Die Reaktionen der NGOs sind ebenfalls sehr zurückhaltend. Von der Diakonie hieß es etwa, das Konzept sei "noch sehr unausgegoren". Christoph Schweifer von der Caritas mahnte ein, man müsse in den Regionaldirektionen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl für ausreichend Ressourcen sorgen. Und die Qualität der Unterkünfte sei auch bei kleinen Lösungen samt Sprachförderung und medizinischer Betreuung zu gewährleisten.

Suche nach kleinen Quartieren

Niederösterreich und Wien übererfüllen derzeit die vereinbarte Asylwerberquote, Kärnten und das Burgenland liegen über 88 Prozent, die anderen Länder darunter. Ende 2013 sah es noch anders aus: Niederösterreich lag damals mit 87,7 Prozent im Vergleich an sechster Stelle.

Die niederösterreichische Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (Team Niederösterreich) sucht neue Unterkünfte, um die Quote auch zu erfüllen, wenn Traiskirchen entlastet wird. Je zehn bis maximal 15 Personen sollten dort untergebracht sein. Bis Jahresende will sie noch bis zu 600 neue Plätze schaffen. (Markus Rohrhofer Gudrun Springer, DER STANDARD, 22.7.2014)