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Igor Strelkow, oder doch Igor Girkin, wie der ukrainische Geheimdienst SBU vermutet?

Foto: reuters/MAXIM ZMEYEV

Der blutige Konflikt in der Ukraine beherrscht die internationalen Schlagzeilen. Und doch gibt es über den Mann hinter dem Aufstand bis heute mehr Spekulationen als handfeste Infos: Igor Strelkow nennt er sich - Strelok ist die russische Bezeichnung für Schütze. Der ukrainische Geheimdienst SBU meint, ihn als Offizier des russischen Armeegeheimdienstes GRU Igor Girkin identifiziert zu haben. Strelkow selbst hingegen bezeichnet sich als Ex-Oberst des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.

Militärische Erfahrung hat der 43-Jährige in jedem Fall zuhauf: Aus einer Offiziersfamilie stammend, interessierte er sich schon seit seiner Jugend für die Weiße Armee und begeisterte sich für Schlachtennachstellungen. Dazu sammelte er auch praktische Kriegserfahrung - zuerst als Freiwilliger in Transnistrien und auf dem Balkan, später dann als professioneller Militäraufklärer im Tschetschenienkrieg.

Seine Erfahrungen verarbeitet er auch literarisch: Ende der 90er-Jahre veröffentlichte er das Bosnische Tagebuch, daneben wurde er Kriegskorrespondent der Tageszeitung Sawtra. Das Blatt propagiert einen kruden Mix aus Stalin-Nostalgie, orthodoxer Gläubigkeit und imperialistischen Großmachtansprüchen. Auch für den Zarenverehrer Strelkow findet sich hier Platz. Hier befreundet sich Strelkow mit Alexander Borodai, inzwischen "Premier der Donezker Volksrepublik". Gemeinsam träumen sie von der einstigen und künftigen Größe Russlands, die sie nach dem Abgang des verhassten Präsidenten Boris Jelzin mit seinem Nachfolger Wladimir Putin verbinden.

Doch die Chance zur russischen Expansion ergibt sich erst 14 Jahre später, als sich im russischsprachigen Osten der Ukraine Widerstand gegen die Umsturzregierung in Kiew bildet. Auf der Krim sorgt Strelkow als Militärberater des im Handstreich an die Macht gelangten Premiers Sergej Aksjonow für den Anschluss der Halbinsel an Russland.

Dann führt ihn seine "Mission" nach Donezk und Slawjansk. Er macht sich als "Verteidigungsminister" der Rebellen einen Namen als fähiger Feldherr und kompromissloser Gegner Kiews. Spätestens nach dem Abschuss des Flugs MH17, den er erst feiert, dann leugnet und schließlich mit Verschwörungstheorien abtut, gilt er im Westen jedoch auch als erbarmungslos. In Moskau leidet seine Popularität darunter nicht; hier gilt er weiter als idealistischer Kämpfer für die Auferstehung Russlands. (André Ballin, DER STANDARD, 22.7.2014)