"Just dressed" heißen diese Leuchten von Hedwig Rotter. Das Oberflächenornament der Unikate stammt von verschiedenen Textilien.

Foto: mano design

Hedwig Rotter nennt ihr Label "mano design". Das passt, denn vor allem ihre Hände sind es, die die Objekte in Form bringen.

Foto: Daniela Beranek

Klar flucht Hedwig Rotter noch immer, wenn ihr ein Teil hinunterfällt. Welches unschöne Wort ihr dabei über die Lippen kommt, will sie nicht publiziert wissen.

Schön sind hier andere Dinge: Becher, Teller, Leuchten, Tassen und viele andere feine Objekte aus Porzellan, die auf jedem Tisch eine gute Figur machen, mehr noch, wenn sie von einer von Rotters Leuchten in Szene gesetzt werden. Über 100 Entwürfe sind es, die aus ihrer Feder bzw. ihren Händen stammen, insofern passt auch der Namen für ihr Label: "mano design". Gegründet hat es die 52-Jährige im Jahre 2007.

Hier, das ist mitten in Wien-Ottakring, gleich um die Ecke vom Brunnenmarkt, wo es an diesem Sommermorgen zwischen Obst und Gemüse ziemlich wuselig zugeht. In den Räumlichkeiten von Hedwig Rotter - eine Mischung zwischen Atelier und Shop - herrschen Ruhe und Wärme. Der blaue, dicke Ofen, der nicht zu übersehen ist, erzeugt in seinem Inneren höllischeTemperaturen von über 1260 Grad. Zwei Tage braucht das Ding, um abzukühlen.

Die Diva unter den Porzellanen

Doch zurück zur Schwerkraft, Feind Nr. 1 jeglichen Porzellans, auch von Knochenporzellan, das Rotter hierzulande als Einzige in Form bringt. "Gestern", sagt Rotter, "ist mir eine Schale runtergefallen und hat's ausgehalten. Ups hab ich gesagt." Die hohe Kantenschlagfestigkeit, die Leichtigkeit und die Transluzenz von Knochenporzellan, das im Englischen "fine bone china" genannt wird, sind vordergründige Vorteile dieses Materials. "Das Wort 'china' bedeutet Porzellan", erklärt Rotter, die seit vier Jahren mit diesem besonderen Werkstoff arbeitet.

Der Knochen steht für die Asche von Rinderknochen, die den anderen Zutaten wie Kaolin, Feldspat und Quarzsand beigemischt wird. Das Patent dafür hat Thomas Frye 1748 in England angemeldet. Und die Nachteile? "Doppelt so teuer wie herkömmliches Porzellan ist's halt, und es bedarf viel mehr Herumexperimentiererei, da lässt sich nichts googlen. Ferner ist es viel schwerer zu verarbeiten. Und die Ausschussrate ist auch höher. Bei 20 Prozent liegt sie", beschreibt Rotter die Macken des Stoffs, der es ihr angetan hat. So sehr, dass sie sich nicht einmal von den wachsenden Scherbenhaufen trennen kann. Diese sammelt die Designerin in eigenen Kisten, um sie irgendwann weiter zu bearbeiten. Manches an kleinerem Ausschuss wird zu Accessoires, zum Beispiel zu Serviettenringen.

"Das Material ist die Diva unter den Porzellanen", fällt der Gestalterin noch ein. Zu einer der "Launen" von Bone-China gehört auch die Eigenschaft, dass die Stücke im Ofen bis zu 14 Prozent an Größe einbüßen, eine Tatsache, die es bei der Entwurfsarbeit am Computer zu berücksichtigen gilt. Zwei Wochen vergehen zwischen dem langsamen Anrühren der Masse und der endgültigen Fertigwerdung eines unikaten "mano"-Stücks.

Dazwischen liegen das händische Gießen in Formen, das Trocknen, Retuschieren und diverse Brenndurchgänge. "Dabei kommt es immer wieder zu Überraschungen", berichtet die Designerin, die ihre Stücke schon zwischen New York, Frankfurt und Tokio ausgestellt hat. Die nächsten Stationen werden im kommenden Herbst der "Designblok" in Prag und die "Dutch Design Week" in Eindhoven sein.

Spitzenwäsche und Styropor

Rotter, die Produktdesign bei Matteo Thun an der Wiener Angewandten, aber auch an der renommierten "Escola de disseny Elisava" in Barcelona studierte, haben es in Sachen Dekors Dinge angetan, die Spuren hinterlassen, vor allem auf ihren Leuchten. Es sind Hilfsmittel, auf die man nie käme, welche ihren Leuchtobjekten Oberflächenstruktur verleihen: Textil-Spitzen, Netzstrumpfhosen, aber auch Haare kommen zum Einsatz und nach dem Brand verfremdet zum Vorschein. Auch mit Styroporkügelchen experimentiert Rotter. Diese verbrennen im Ofen und lassen ganz eigene Ornamente zurück. Anders ihre "inside-out"-Vasen, bei denen die Negativform des Porzellanstückes zum eigentlichen Blumenbehältnis wird. Wem das gefällt?

Der Abnehmerreigen des Ein-Frau-Betriebs ist ein bunter, er reicht von Laufkundschaft, die sich in erster Linie aus Mundpropaganda rekrutiert, bis hin zu Wien Tourismus oder der Gastronomie, so stammt zum Beispiel einiges an Geschirr bei "Joseph Brot" von Rotter. Apropos Abnehmer: Die Porzellanwaren kosten zwischen 14 und 400 Euro. Einzelanfertigungen, also Bespoke-Geschäft gibt es auch, dieses ist freilich von der georderten Stückzahl abhängig. "Für ein einzelnes Butterdoserl werf ich den Ofen nicht an", sagt Rotter. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 25.7.2014)