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Sinan Bytyqi ist auf dem Flügel und im Zentrum einsetzbar.

Foto: APA

Wien/Budapest - Sinan Bytyqi kennt Neuseeland aus dem Kino. Die Filmtrilogie Herr der Ringe hat er förmlich verschlungen, "die wunderbare Landschaft hat mich begeistert, dorthin wollte ich schon immer". Im Mai 2015 darf der 19-Jährige ans andere Ende der Welt. Der Trip wird ihm sogar bezahlt, es handelt sich um eine Dienstreise. Denn in dieser Kulisse wird die U20-WM gedreht, Österreichs Fußballnachwuchs hat sich dafür qualifiziert.

"Ein Wahnsinn, ein Traum." Wobei der laufstarke Offensivspieler dazu neigt, in der Gegenwart zu leben. Und die ist die EM in Ungarn. Nach dem 3:0 gegen Israel ist die Halbfinalteilnahme fix. Zuvor wurde der Gastgeber 3:1 geschlagen. Im letzten Gruppenspiel geht es am Freitag gegen Portugal um Platz eins. Die Südeuropäer sind qualitativ wohl besser bestückt, was kein Hindernis sein sollte, keinen Schrecken verbreitet. "Man kann jeden schlagen. Wir gehen ins Spiel, um es zu gewinnen."

Budapest sehen und freuen

Am Mittwoch wurde regeneriert, massiert, am Nachmittag stand ein Stadtbummel durch Budapest auf dem Programm, für den Abend hatte der Botschafter geladen. "Da sieht man, dass die Erfolge auffallen." Bytyqi, der zwei Elfer verwandelt hat, sagt, die Leistungen seien kein Zufall. "Der Teamgeist ist perfekt. Wir sind taktisch sehr weit, haben Varianten, sind für die Gegner schwer einzuschätzen." Er verwendet den von Trainer Andreas Heraf vorgegebenen Begriff Festung. "Wir sind eine Festung, in unsere Burg kommt keiner so leicht rein."

Rückblick. Sinan Bytyqi wurde am 15. Jänner 1995 in Prizren, die Stadt liegt im Kosovo, geboren. Es war Krieg, die Eltern beschlossen, nach Österreich zu flüchten. Sie landeten in Klagenfurt. Sinan war damals sechs Monate alt. Er hat drei Schwestern und zwei Brüder. Der Papa arbeitet in der Braubranche und plant, eine eigene Firma zu gründen.

Der Weg vom FC Kärnten nach Manchester

Sinan entwickelte sich insofern prächtig, als er jedem Ball nachlief und gegen diesen trat. "Schon als Vierjähriger wollte ich dauernd nur trainieren. Es war eine Lust an der Qual." Er kam zum FC Kärnten, zur Austria Klagenfurt, war begabter und vor allem fleißiger als die Altersgenossen. Wechsel in die Südstadt zur Admira, die Akademie hat einen guten Ruf. Der wurde bis nach Manchester gehört.

2012 haben die Citizens Bytyqi verpflichtet. Zunächst wohnte er bei einer Gastfamilie, das hatte den Sinn, sich an England zu gewöhnen. Jetzt sucht er eine eigene Wohnung. Es über die österreichische Bundesliga zu schaffen, war keine Alternative. "Ich wollte etwas Neues, wollte mich mit den Besten messen." Er ist eine Fixgröße in der Reserve, die vom französischen Weltmeister Patrick Vieira trainiert wird. "Vieira ist einfach ein Wahnsinn. Spaß ist bei ihm Spaß, Arbeit ist Arbeit."

Vorbild Dzeko

Die Lust an der Qual steigert sich nahezu täglich. "Ich bin der Erste auf dem Trainingsplatz und der Letzte, der ihn verlässt. Fußball muss schmerzen." Sinan wartet auf den ganz großen Sprung. "Stammspieler bei City zu werden, ist mein Ziel. Vielleicht bin ich gar nicht mehr so weit davon entfernt." Mit Edin Dzeko ist er bereits befreundet, ab und zu gehen sie gemeinsam Billard spielen. "Er kümmert sich um mich, ist mein Vorbild. Edin ist nie arrogant, bleibt immer bescheiden und auf dem Boden." Das sei Voraussetzung für eine internationale Karriere. "Ich will mir nicht durch Blödheiten etwas verderben."

Seit drei Wochen hat er einen Manager, zuvor hat sich der Papa um die Geschäfte gekümmert. Der Vertrag mit Manchester endet 2015, eine vorzeitige Verlängerung ist wahrscheinlich. Da Sinan aber in der Gegenwart lebt, beschäftigt ihn die EM. Im Team ist Heraf der Vieira, "und er ist auch ein Wahnsinn. Er lebt für den Fußball, bereitet uns perfekt vor."

Sinan Bytyqi überlegt übrigens, ob er sich später einmal nicht doch für den Kosovo entscheidet. Der Weltverband Fifa dürfte irgendwann eine Vollmitgliedschaft akzeptieren. "Im Kosovo sind meine Wurzeln, das kann ich nicht leugnen. Ich fahre jedes Jahr im Urlaub zu meinen Verwandten." Jetzt ist aber Österreich und EM. "Wir wollen mehr." 2015 ist Neuseeland. Sinan Bytyqi wird sich quälen. "Und vielleicht noch einmal Herr der Ringe schauen." (Christian Hackl, DER STANDARD, 24.7.2014)