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Oscar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, fordert Politik und Zivilgesellschaft dazu auf, gegen Antisemitismus anzukämpfen.

Foto: APA/BMI/ALEXANDER TUMA

Nach dem Angriff auf die israelische Fußballmannschaft Maccabi Haifa in Salzburg fordert Oscar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, im Gespräch mit derStandard.at die muslimische Glaubensgemeinschaft und muslimische Vereine auf, "auf ihre Mitglieder einzuwirken". Außerdem kritisiert er, dass die Angreifer auf dem Fußballplatz von Bischofshofen nicht festgenommen wurden: "Das ist vollkommen unverständlich. Man hat ja gesehen, dass einige die Spieler von Maccabi Haifa verletzen wollten."

derStandard.at: Was sagen Sie zu dem Platzsturm in Bischofshofen?

Deutsch: Die Vorfälle in Bischofshofen sind furchtbar. Vergangenen Samstag fanden Demonstrationen in Wien, Bregenz und Innsbruck statt. Dort war Gewalt angesagt. In Innsbruck wurde eine Dame krankenhausreif geprügelt. Die Demonstranten skandierten überall "Tod den Israelis" und "Tod den Juden". Es waren dort auch Hakenkreuze zu sehen. Der Vorfall ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Bedrohung in diesem Land gegeben ist. Man muss die jüdischen und israelischen Institutionen einfach schützen. Wenn eine rote Linie überschritten wird, dann muss das geahndet werden.

derStandard.at: Hätte das Innenministerium dafür Sorge tragen müssen, dass das Spiel besser geschützt ist?

Deutsch: Ich war bei diesem Spiel nicht dabei. Eines ist klar: Die Stimmung ist aufgebracht, und ich fordere alle Verantwortlichen der muslimischen Glaubensgemeinschaft sowie der muslimischen Vereine auf, auf ihre Mitglieder einzuwirken. Natürlich sollte jeder weiter demonstrieren können, denn das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Recht. Aber es darf zu keiner Gewalt kommen, und man sollte auch nicht den anderen den Tod wünschen, sondern für eine Sache statt gegen etwas demonstrieren.

derStandard.at: Nimmt der Antisemitismus in Österreich zu?

Deutsch: Es ist ein neuer Antisemitismus, der von der muslimischen Seite kommt. Aufgrund der Situation zwischen Israel und der Hamas wird dieser nun verstärkt sichtbar.

derStandard.at: Sie haben in einem Interview einmal gesagt, viele jüdische Bürger würden aus Ungarn flüchten, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlten. Sieht sich auch die jüdische Gemeinde in Österreich zunehmend bedroht?

Deutsch: Einige Menschen in unserer Gemeinschaft haben Ängste. Das ist aber nicht nur in Österreich der Fall, sondern in ganz Europa. Ich erinnere an das Attentat von Toulouse, wo an einer jüdischen Schule drei Kinder und ein Lehrer getötet wurden, oder an den Anschlag im Jüdischen Museum im Mai in Brüssel.

Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt. Es sind alle Politiker, aber auch die Zivilgesellschaft gefordert, dafür zu kämpfen, dass in Europa Antisemitismus nicht wieder so salonfähig wird, wie er es schon einmal gewesen ist. Zuerst kommen die Worte, dann kommen die Taten. Die Leute wissen, dass es Antisemitismus nicht mehr geben darf. Es ist die Aufgabe jedes einzelnen Bürgers, gegen ihn aufzutreten. Und ich hoffe, dass die muslimischen Verantwortlichen in Österreich so auf ihre Leute einwirken können, dass diese antisemitischen Emotionen zurückgedrängt werden können.

derStandard.at: Man kann sagen, der Platzsturm in Bischofshofen ist noch glimpflich ausgegangen, weil offenbar niemand verletzt wurde.

Deutsch: Die israelischen Spieler haben sich gegen die Angriffe erfolgreich gewehrt. Angeblich hatten die Angreifer auch Messer dabei. Es ist eine Auszeichnung für Österreich, dass eine europäische Mannschaft wie Maccabi Haifa in Österreich ein Trainingslager abhält. Das Groteske an der ganzen Angelegenheit ist, dass Maccabi Haifa ein Beispiel ist für die Koexistenz zwischen Juden und Moslems in einer Mannschaft. Und gerade diese Mannschaft wurde angegriffen.

derStandard.at: Hätte es mehr Sicherheitsvorkehrungen geben müssen?

Deutsch: Ich bin der Meinung, dass gerade jetzt in dieser kritischen Zeit jüdische und israelische Institutionen noch stärker bewacht gehören. Aber: Wenn Sie mich gestern Vormittag über dieses Spiel gefragt hätten, hätte ich Ihnen gesagt, es ist schön, dass eine französische und eine israelische Mannschaft auf österreichischem Boden ihre Vorbereitung austragen. Dass so etwas passiert, hätte ich mir nicht vorstellen können.

derStandard.at: Maccabi Haifa wird plangemäß noch einige Tage in Österreich sein. Soll der Verein weitere Spiele absagen?

Deutsch: Das muss der Verein selbst wissen. Wichtig ist, dass sich Österreich seiner Verantwortung bewusst ist und die Mannschaft schützt.

derStandard.at: Laut Polizei wurde niemand, der den Platz gestürmt hat, festgenommen. Können Sie das nachvollziehen?

Deutsch: Das ist vollkommen unverständlich. Man hat ja gesehen, dass einige die Spieler von Maccabi Haifa verletzen wollten. Es sollte zumindest Anzeigen geben.

derStandard.at: Nach dem umstrittenen Urteil gegen den Akademikerball-Demonstranten Josef S., der wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurde, habe viele ihre Sorge um das Demonstrationsrecht in Österreich formuliert. Wie bewerten Sie das Urteil?

Deutsch: Es gab verschiedene andere Demonstrationen, etwa die zuvor besprochenen, wo es mir fehlt, dass man Leute geahndet hat, die Hakenkreuze getragen oder sich antisemitisch geäußert haben. Das wäre viel wichtiger. Die Politik muss klarmachen, welche rote Linie nicht überschritten werden darf. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 24.7.2014)