Salzburger Festspiele: "Don Giovanni" live auf Servus TV, Backstage-Berichte parallel dazu auf www.servustv.com und derStandard.at/dongiovanni.

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Volker Heise: fünf Stunden live im Fernsehen und online.

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Salzburg – Es ist zwar kein Sprung aus der Stratosphäre, aber doch ein durchaus riskanter Weg in eine neue Medienwelt, den Servus TV, Salzburger Festspiele und Televisionär Volker Heise gemeinsam gehen wollen.

Da ist zunächst die vierteilige Doku-Serie Don Giovanni – Die Entstehung einer Festspieloper, die Heise und seine Kollegin Britt Beyer im Rekordtempo seit Probenbeginn drehen und parallel schneiden und die vom 28. Juli bis 1. August um 18.20 Uhr on air geht.

Am 3. August um 18 Uhr startet das Gesamtpaket Don Giovanni im TV und online. Während der Opern-Liveübertragung auf Servus TV gibt es auf derStandard.at und servustv.com Backstage-Livereportagen, moderiert unter anderem von STANDARD-Mitarbeiter Thomas Rottenberg.

Heise, verantwortlich für Konzept und Gesamtregie, hat mehrfach preisgekrönte Fernsehgeschichte geschrieben, sei es 2001 mit seiner Living-History-Serie Schwarzwaldhaus, als er eine Berliner Familie auf eine strapaziöse Zeitreise zurück ins Jahr 1902 schickte; vor allem aber mit seinen gigantischen 24-Stunden-Porträts von Berlin (2009) und Jerusalem (2014), als er rund hundert Kamerateams 24 Stunden lang durch die Städte dirigierte. Nun also Salzburger Festspiele.

STANDARD: Was befähigt Sie zu diesem Job? Sind Sie Opernkenner?

Heise: Nein. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Aber wenn Servus TV so sportlich ist, dann bin ich es auch. Wie nach Jerusalem gehe ich nun ins Festspielhaus und versuche, diese Welt für mich – und die Zuseher – zu dechiffrieren. Der Soziologe Hartmut Häußermann sagte: "Stadt ist maximaler Unterschied auf minimalem Raum." Das gilt auch für den Opernbetrieb: Ganz viele Menschen müssen auf minimalem Raum zusammengebracht werden.

STANDARD: Im TV Opernübertragung, online Backstage-Reportagen: Wie koordinieren Sie das?

Heise: Es ist eine Mischung aus minutiös genauem Ablaufplan und hoher Improvisation. Man muss versuchen, die DNA des Projektes weiterzugeben. Da stehen Sie nicht mehr da und sagen: Sie machen jetzt dies und das.

STANDARD: Werden Sie bei den Backstage-Berichten auch Szenen aus der Oper einspielen?

Heise: Nein. Das können die User selber machen. Vor Beginn der Liveübertragung füttern wir die Zuseher mit Geschichten rund um die Oper; mit diesen Hintergrundinformationen bauen wir die Rampe, von der aus die Aufführung quasi abgeschossen wird. Ab da trennen sich Fernsehen und Online, auf servustv.com erzählen wir Parallelgeschichten aus dem Foyer, den Garderoben, beobachten die Sänger hinter der Bühne. Die User können, wenn sie wollen, sich aus unserem TV- und Online-Angebot ihren eigenen Opernabend gestalten, hin- und herswitchen, den Ton online ab- und im Fernsehen andrehen oder umgekehrt.

STANDARD: Kann man, während auf der Bühne gesungen wird, Backstage Interviews machen, ohne die Aufführung zu stören?

Heise: Hinter der Bühne ist es schwer zu drehen, weil alles sehr eng und verstellt ist. Aber wir versuchen es natürlich trotzdem, gehen aber auch an andere spannende Orte im Haus. Mir geht es um das Atmosphärische, darum, die Situation durch Bilder erfahrbar zu machen. Wir müssen einen sensiblen Weg dafür finden.

STANDARD: Außer Online-Backstage-Livereportagen drehen und schneiden Sie eine Art vierteiliges Making-of von jeweils 20 Minuten.

Heise: Als Making-of würde ich es nicht bezeichnen. Es ist eine dokumentarische Arbeit: Die absolute Ruhe, Professionalität, der Glanz, der sich entfaltet – und gleichzeitig der Dreck, der Schweiß, die Tränen, um das herzustellen: Diese Mischung zu erzählen finde ich spannend.

STANDARD: Ist jede der Dokus eine abgeschlossene Folge?

Heise: Ja, die Gestaltung orientiert sich an moderner Seriendramaturgie. Für mich ist die Serie eine der Königsdisziplinen des Fernsehens, weil sie dem Medium angemessen ist. Fernsehen wird jeden Tag gesendet, über diese Kontinuität muss man nachdenken, das erfordert eine eigene Dramaturgie. Im Kino arbeitet man fürs Kino, im Fernsehen fürs Fernsehen. Man soll nicht das eine ins andere kopieren wollen.

STANDARD: Und welche Form des Geschichtenerzählens muss man für Online finden?

Heise: Gute Frage. Wo gehen die Zuseher mit, wo nicht, was ist dem Medium angemessen, was nicht. Das alles ist noch nicht einmal im Geringsten angedacht. Es heißt, im Internet dürfe ein Film nicht länger als drei Minuten sein. Totaler Quatsch! Es kommt auf die Qualität und auf die Geschichten an. Viele Dokus haben im Internet mehr Zuschauer als im Fernsehen, weil die Zielgruppen es da stärker wahrnehmen; die gucken vierzig, sechzig Minuten. Dieses Drei-Minuten-Gebot ist längst vorbei. Nur weiß im Moment noch keiner, wie man Geschichten im Internet erzählen muss. Man muss sich vortasten, ausprobieren ...

STANDARD: ... und einen Partner finden, der einen lässt ...

Heise: Stimmt. Ich glaube nicht, dass sich die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme in Deutschland wie Das Erste oder das ZDF trauen würden, zur besten Sendezeit Operndokus zu bringen; auch das Online-Fernsehexperiment ist da im Moment schwer vorzustellen. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 25.7.2014)