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Markus Rehm springt mit Beinprothese bei den deutschen Meisterschaften der Nichtbehinderten mit und sorgt damit für Diskussionen.

Foto: EPA/ Penny

Ulm - Wenn bei der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft der Weitsprung der Männer steigt, werden alle Augen auf Markus Rehm gerichtet sein. Dem 25-Jährigen fehlt seit einem Unfall beim Wakeboarden als Teenager der rechte Unterschenkel. Als erster Springer mit Handicap startet der Weltrekordhalter (7,95 m) und Paralympics-Sieger von 2012 bei Meisterschaften der Nicht-Behinderten und prompt ist die historische Premiere zum Politikum geworden.

"Markus Rehm ist ein Leuchtturm für Menschen mit Behinderungen", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), vor dem mit Spannung erwarteten Wettkampf. Doch in der Leichtathletik herrscht Uneinigkeit darüber, ob Rehm trotz oder wegen seiner Prothese knapp acht Meter weit springen kann. "Es gibt Diskussionen, ob seine Leistungen mit denen der Nichtbehinderten vergleichbar sind", sagte Prokop, "noch können wir die Frage nicht abschließend klären, ob Markus Rehm durch seine Prothese einen Vorteil hat oder nicht."

Biomechanische Analyse

In Ulm startet Rehm nur unter Vorbehalt. Biomechaniker werden während des Wettkampfes Daten erheben, um zu analysieren, ob seine Leistungen mit denen der anderen Springer wie den beiden letzten Europameistern Christian Reif (2010) und Sebastian Bayer (2012) zu vergleichen sind. Wann die Wissenschaftler geklärt haben, ob Rehm mit seiner Prothese einen unfairen Vorteil gegenüber Nicht-Behinderten hat, steht noch nicht fest. Der DLV strebt für die Zukunft eine Art TÜV für Prothesen an, um Leistungen vergleichbar machen zu können.

"Ich lasse mich nicht behindern", sagt Rehm, der mit 14 Jahren beim Wakeboarden in den Main stürzte und dessen Beine von der Schiffsschraube eines Motorbootes nahezu zerfetzt wurden. Die Ärzte konnten seinen rechten Unterschenkel nicht retten. Heute gehen dem Modellathleten in der paralympischen Klasse die Gegner aus. Nach 19 Schritten Anlauf springt Rehm mit seiner Prothese ab und katapultiert sich fast so weit wie Springer ohne Handicap.

EM-Norm in Reichweite

In der deutschen Jahresbestenliste steht er mit 7,87 m auf Platz fünf, in Ulm ist für ihn sogar eine Medaille drin. Selbst die Norm (8,05 m) für die EM im August in Zürich liegt nicht außer Reichweite. "Wenn er alle Voraussetzungen erfüllt, würden wir ihn auch nominieren", sagte Prokop. Am Ende müsste dann der europäische Verband über einen Start entscheiden.

Rehm ist sich bewusst, dass sein Start hinter den Kulissen für ordentlich Getuschel sorgt. "Fliege ich im Vorkampf raus, werden viele sagen: 'Schön, dass du da warst, tolle Außenseitergeschichte.' Lande ich aber weiter vorn, bedeutet dies gleichzeitig, dass mehrere Konkurrenten hinter mir sind", sagte er der Tageszeitung Die Welt: "Und dann werden die Diskussionen sicherlich groß sein - über vermeintliche Vorteile für mich."

Präzedenzfall Pistorius

Rehms Situation erinnert stark an den Fall des doppelt amputierten Oscar Pistorius. Der Südafrikaner klagte 2008 vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS erfolgreich sein Startrecht für Wettkämpfe der Nicht-Behinderten ein. 2011 schaffte Pistorius die Qualifikation für die WM in Daegu und 2012 für die Olympischen Spiele in London. Nun träumt auch Rehm von der ganz großen Bühne. (sid, 25.7.2014)