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Malerisch ist es am Bodensee - oft aber auch ziemlich gut besucht.

Foto: AP/Weißbrod

Einkaufen im malerischen deutschen Konstanz ist für Schweizer ein Schnäppchen, und das schon seit Jahren. Krisenbedingt flüchteten Anleger bekanntlich in Scharen in die Schweizer Währung, was eine kräftige Aufwertung zur Folge hatte. Der starke Franken hat nicht nur Schweizer Waren im Ausland verteuert. Touristen mussten für den Urlaub in der Schweiz immer mehr auf den Tisch legen. Aus dem Ausland importierte Güter wie Öl und Maschinen wurden zwar billiger, aber die Schweizer strömten auch in Scharen über die Grenze, um im Ausland einzukaufen.

Shopping-Wunder

Zum Beispiel in das Grenzstädtchen Konstanz am Bodensee. In deutschen Medien war die Konstanzer Shopping-Sonderwirtschaftszone als Nebeneffekt der Eurokrise ein in allen Facetten beleuchtetes Thema. Auch heute noch wird der Konstanzer Einzelhandel von den Schweizer Kunden förmlich überrannt. Der günstige Wechselkurs ist ein Grund. Darüber hinaus profitieren die Schweizer davon, dass ihnen die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstattet und das Schweizer Pendant bis zu einer Freigrenze von 300 Franken (pro Person) nicht nacherhoben wird. Rund ein Drittel des Umsatzes verdankt der Konstanzer Einzelhandel den Schweizer Kunden.

Diese reisen angesichts der günstigeren Preise nicht nur aus dem unmittelbar angrenzenden Kreuzlingen an. Solche Abstecher liegen auf der Hand, weil die deutsch-schweizerische Staatsgrenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen mitten zwischen Häusern und Straßen verläuft. Viele Eidgenossen nehmen aber auch 100 Kilometer oder mehr in Kauf, um ihre Einkäufe zu erledigen.

Das Thema wurde für die Schweizer so gewichtig, dass große Player wie Migros und Coop Marktforscher damit beauftragten, das Problem genau zu analysieren. Für 2012 kam man zum Schluss, dass mit rund neun Milliarden Franken (7,4 Mrd. Euro) rund zehn Prozent des Gesamtvolumens aus der Schweiz in den ausländischen Detailhandel flossen - 4,5 Milliarden davon ins grenznahe Ausland. Obwohl die Schweizer nicht untätig blieben und ihre Preise senkten.

Konstanz brummt

Die 85.000-Einwohner-Stadt Konstanz kann sich eigentlich freuen und tut das auch: Die Einkaufsgäste bringen der Stadt hohe Steuereinnahmen. Jobs gibt es in Hülle und Fülle. Es gibt deutlich mehr Einzelhandelsgeschäfte, als man in einer vergleichbaren deutschen Stadt sonst vorfindet. Im vergangenen Jahrzehnt haben vor allem viele Bekleidungsgeschäfte, Restaurants und andere Dienstleister eröffnet. Mit einem Wort: Konstanz brummt.

Doch der wirtschaftliche Boom hat auch Schattenseiten. Viele Restaurants haben ihr Angebot an das durchwegs zahlungskräftige Publikum angepasst. Auch Ferienwohnungen sollen in Konstanz für Eidgenossen sehr attraktiv geworden sein, was dazu geführt hat, dass die Kauf- und Mietpreise für Immobilien wesentlich stärker gestiegen sind als im deutschen Durchschnitt.

Und dann wäre da noch jenes Problem, das fast jede andere Stadt heutzutage auch hat, wenn auch in weit weniger dramatischem Ausmaß. Viele Gäste bedeuten vor allem viel Verkehr mit allen damit verbundenen Problemen: Dauerstau, Parkplatznot, verstopfte Straßen. Sehr viele Gäste erhöhen das Aufkommen, und weil Konstanz wie gesagt von Einkaufstouristen zuweilen geradezu überrannt wird, kommt es hie und da und da und dort zum Verkehrskollaps. "Verkaufsoffener Sonntag und 70 000 waren da", hieß es etwa im Oktober vergangenen Jahres im Online-Stadtmagazin Seemooz.

So dramatisch war zuletzt die Situation, dass die städtischen Verkehrsplaner im vergangenen Herbst zu drastischen Mitteln griffen und einen von drei Grenzübergängen aus der Schweiz für den Autoverkehr sperrten: Nur noch Fußgänger und Radfahrer konnten im betroffenen Stadtteil die Grenze überschreiten.

Mit der Seilbahn über den Niederungen des Alltags

Auf Dauer denkt Oberbürgermeister Uli Burchardt allerdings an ganz andere Lösungen: Eine Seilbahn schwebte ihm etwa vor geraumer Zeit vor. Ein solche könnte künftig praktisch über den Niederungen des Alltags schweben und Bürger und Besucher in die Innenstadt befördern. Von einem Parkplatz am Stadtrand über den Rhein hinweg und am Ufer entlang könnten die Gondeln bis zum Konstanzer Hafen führen. Es sei ein "sehr effizientes und kein wahnsinnig teures Verkehrsmittel“, argumentierte der Oberbürgermeister und rückte weitere Eigenschaften ins rechte Licht: "Sicher, ökologisch hervorragend, macht Spaß und ist rückbaubar." Gespräche mit dem heimischen Seilbahnbauer Doppelmayr wurden schon geführt.

In der Stadt Konstanz wird seither heftig diskutiert. Denn nicht nur Luft gibt es in Konstanz in ausreichendem Ausmaß. Andere können sich auch das Wasser als Verkehrsweg durchaus vorstellen. Wasserbusse oder Wassertaxis im Stile Venedigs und vielleicht als Ergänzung zu einer zukünftigen Straßen- oder Stadtbahn wären eine andere Idee. Ein bisschen Venedig am Bodensee, auch das finden so manche durchaus attraktiv.

Wieder andere halten von solch hochgestochenen Ideen ganz und gar nichts. Bodenständigere Gemüter wollen lieber auf anderswo bewährte Modelle wie Citymaut, Busspuren und Teilsperrungen setzen. Ob sich die luftigere oder weniger luftige Fraktion durchsetzt, ist derzeit noch offen, sagt ein Stadtsprecher. Jetzt wird einmal auf Machbarkeitsstudien gesetzt. Die Ergebnisse werden im Herbst dem Gemeinderat vorgelegt. (rebu, derStandard.at, 25.7.2014)