Moskau/Kiew - Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) sieht nach einem "Spiegel"-Bericht vor dem Hintergrund der Sanktionen gegen Russland Anzeichen für ein Machtgerangel in der Moskauer Führung. Anders als noch zu Beginn der Ukraine-Krise erwartet, schienen sich Brüche im Machtblock von Präsident Wladimir Putin zu zeigen.

Das berichtete demnach BND-Chef Gerhard Schindler in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag und in der wöchentlichen Lagebesprechung im Kanzleramt. Es sei durchaus möglich, dass einige der wegen der EU-Sanktionen besorgten Oligarchen bald wirtschaftliche über politische Interessen stellten und Putin zu bremsen versuchten.

EU macht Tempo

Nach langem Zögern drückt die Europäische Union in der Ukraine-Krise bei Sanktionen gegen Russland aufs Tempo. Am Samstag verbot die EU den Spitzen des Moskauer Sicherheitsapparates die Einreise. Die Leiter der Inlands- und Auslandsgeheimdienste, Alexander Bortnikow und Michail Fradkow, sowie Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew kamen auf die Sanktionsliste. Eventuelle Konten in der EU werden gesperrt. Auch Organisationen der prorussischen Aufständischen in der Ostukraine werden mit Sanktionen belegt. Moskau kritisierte die Sanktionen gegen die Geheimdienstler: Die EU habe damit die gemeinsame Sicherheitspolitik aufgekündigt.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bat die 28 Staats- und Regierungschefs der EU schriftlich um rasche Zustimmung zu neuen Wirtschaftssanktionen. Die Regierungschefs sollten ihre EU-Botschafter anweisen, am Dienstag die geplanten Maßnahmen zu billigen. Damit soll ein weiterer EU-Sondergipfel vermieden werden.

Oligarchenkonten einfrieren

EU-Sanktionen sollten vor allem die russischen Oligarchen treffen, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Die Oligarchen seien die Grundpfeiler der russischen Politik. "Wir müssen ihre Konten in den europäischen Hauptstädten einfrieren und ihre Einreiseerlaubnisse widerrufen", sagte der SPD-Chef dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Bei der Frage nach verschärften Sanktionen gegen Russland sind wirtschaftliche Interessen Deutschlands nach Ansicht von Finanzminister Wolfgang Schäuble nachrangig. "Oberste Priorität hat die Wahrung von Stabilität und Frieden", sagte Schäuble der "Bild am Sonntag" laut Vorausmeldung. Im Streit mit Russland über den Konflikt in der Ukraine sprach sich Schäuble für ein entschlossenes Vorgehen des Westens aus. "Niemand in Moskau darf den Eindruck gewinnen, Russland könne mit seinem Vorgehen am Ende erfolgreich sein." (APA, 27.7.2014)