Bild nicht mehr verfügbar.

Sorgenvolle Mienen: Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew jüngst vor einem Treffen mit Wirtschaftsführern

Foto: Reuters / Ria Novosti

Berlin/Brüssel/Moskau/Wien - In der bisher schärfsten Stellungnahme innerhalb der russischen Elite gegen Moskaus Ukraine-Politik warnte Ex-Finanzminister Alexej Kudrin vor wenigen Tagen vor den ökonomischen Folgen einer wachsenden Isolierung Russlands und stellte sich dezidiert gegen ein militärisches Eingreifen Russlands in der Ukraine. Kudrin befürchtet, wie er der staatlichen Nachrichtenagentur Itar-Tass sagte, eine Wachstumsdämpfung um rund einen Prozentpunkt. Kämen neue Sanktionen dazu, werde es noch schlimmer. "Ich bin überrascht über das Ausmaß der antiwestlichen Rhetorik, das sich hier herausgebildet hat", sagte Kudrin.

Das war kaum verhüllte Kritik an Präsident Wladimir Putin. Dieser hatte Kudrin 2011 wegen grundlegender Differenzen bezüglich des Wirtschaftskurses entlassen. Als Sanierer der russischen Staatsfinanzen nach den Wirren der 1990er-Jahre ist Kudrin bis heute auch in weiten Bevölkerungskreisen hoch angesehen.

Infos des deutschen Bundesnachrichtendienstes

Anzeichen für Brüche in Putins Machtblock sieht auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) gemäß einem Bericht im jüngsten Spiegel. Das habe BND-Chef Gerhard Schindler im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und in der wöchentlichen Lagebesprechung im Kanzleramt berichtet. Es sei durchaus möglich, dass einige der wegen der EU-Sanktionen besorgten Oligarchen bald wirtschaftliche über politische Interessen stellten und Putin zu bremsen versuchten.

Auch nach Ansicht des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zeigen die bereits verhängten Sanktionen schon Wirkung. "Der Rubel verliert an Wert, das Haushaltsdefizit Russlands steigt, die wirtschaftliche Entwicklung ist schlecht. Das sieht auch der russische Präsident", sagte Schäuble zur Bild am Sonntag. Bei der Frage nach verschärften Sanktionen seien wirtschaftliche Interessen Deutschlands nachrangig: "Oberste Priorität hat die Wahrung von Stabilität und Frieden."

Schärfere EU-Maßnahmen

Neue EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland könnten bereits heute, Montag, beschlossen werden. Sie sollen russische Banken den Zugang zum europäischen Kapitalmarkt erschweren. Weiters sollen der Export von Waffen und Spezialtechnik zur Ölförderung verboten werden. Auch ein Handels- und Investitionsverbot für die von Russland annektierte Krim ist laut EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy beschlussreif. Bereits am Samstag hatte die EU ein Einreiseverbot und Kontensperren für die russischen Geheimdienstchefs Alexander Bortnikow und Michail Fradkow sowie für Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew verhängt. Laut dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) soll Gleiches für russische Oligarchen beschlossen werden.

In einer vom Spiegel veröffentlichten Umfrage sind 52 Prozent der befragten Deutschen für schärfere Sanktionen gegen Russland, selbst wenn dadurch "viele Arbeitsplätze" verlorengingen. Der britische Vizepremier Nick Clegg forderte in der Sunday Times, Russland die Fußball-WM 2018 zu entziehen. (red, DER STANDARD, 28.7.2014)