Düsseldorf/Wien/Kiew/Moskau - Europaweit sind Aktien von Konzernen unter Druck , die in Russland engagiert sind. Die Sorge vor den Folgen harter europäischer Sanktionen und vor Gegenmaßnahmen sind groß. Welche Firmen, Güter und Verträge im Detail betroffen wären, steht noch in Verschluss-Akten. Auch Österreicher bangen vor dem Freitag, da könnten erste Schritte in Kraft treten. Die Wirtschaft will keinen Wirtschaftskrieg.

Österreichische Unternehmen, die in Russland zusammen 550 Niederlassungen haben - darunter auch die zwei Großbanken Raiffeisen und Bank Austria - lehnen die Sanktionen besonders stark ab. Die deutsche Industrie hingegen forderte heute noch schärfere Maßnahmen gegen Russland.

Acht Milliarden Euro

Heimische Firmen haben in den vergangenen Jahren viel Kapital und Geld in ihre Russlandtöchter fließen lassen, in Summe sind sie mit mehr als acht Milliarden Euro investiert. Zwei Drittel stammen von Banken. Dazu kommt noch ein Mehrfaches an lokalem Geschäft vor Ort.

Zu den großen Konzernen mit Milliardengeschäft in und mit Russland zählen aus Österreich neben den Banken die Energiefirmen (OMV, Econgas) sowie Öl/Gasindustrie-Zulieferer wie Schoeller Bleckmann, CAToil und auch die Stahlindustrie - allen voran die voestalpine. Auch Strabag, Andritz, RHI oder Mayr-Melnhof füllen ihre Auftragsbücher mit Aufträgen aus Russland.

Exportfinanzierung

Österreichische Firmen wären von härteren Sanktionen, wie sie gerade beraten werden, ausgesprochen hart betroffen, heißt es bei der Wirtschaft. Ein riesiges Problem täte sich auch bei der Exportfinanzierung und im Akkreditivgeschäft auf.

Selbst erste Zusicherungen von Brüssel, der Gassektor wäre von den Sanktionen ebenso ausgenommen wie Altverträge bzw. "bestehende Verträge", würde keine Entwarnung für große Zulieferer bedeuten: Denn Bleche und Rohre für die Gaspipelines sind üblicherweise auch für die Ölindustrie verwendbar ("Dual Use").

Auch von Waffenexportschranken nach Russland wären nicht bloß große internationale Rüstungskonzerne betroffen. "Dual Use" gilt, wie es heißt, auch hier, etwa bei ziviler und militärischer Nutzung. Das träfe in Österreich auch praktisch sofort kleine Büchsenmacher.

Beschränkungen

Die "Financial Times" und Reuters haben vorige Woche von möglichen Geld- und Kapitalverkehrsbeschränkungen gegen Großbanken berichtet, was die Sberbank, VTB, Rosselkhozbank und VEB träfe, die voriges Jahr die Hälfte ihrer Gelder auf dem europäischen Markt aufgenommen hätten. Sollte ihnen der Zugang zum europäischen Kapital- und Geldmarkt beschnitten werden, träfe dies vor allem auch die Wiener Europa-Zentralen Sberbank Europe und VTB Austria.

Österreichs Banker wurden zuletzt nicht müde davor zu warnen, dass Wirtschaftssanktionen auf beiden Seiten nur Verlierer hinterließen. Die Ratingagentur Fitch hat Russland-Sanktionen bereits im Frühjahr als eine Gefahr für österreichische Banken ausgemacht. Raiffeisen Bank International (RBI) und Bank Austria sind im Verhältnis zu ihrer Größe am stärksten mit Krediten in Russland vertreten. Das Russland-Geschäft war im heurigen ersten Quartal immer noch der größte Ergebnisbringer der RBI.

Deutsche Industrie will härtere Gangart

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unterstützt härtere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise. Diese würden zwar einen wirtschaftlichen Schaden für Deutschland und andere EU-Länder bedeuten, schrieb BDI-Präsident Ulrich Grillo in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" vom Montag.

Doch der Schaden werde "mehr als aufgehoben, wenn es gelingt, dem Völkerrecht in Europa und Rechtsgrundsätzen generell Geltung zu verschaffen".

Grillos Ansicht nach könnten schärfere Sanktionen durchaus die erwünschten Wirkungen erzielen. Es sei aus der Forschung bekannt, dass die Erfolgsaussichten umso besser seien, "je größer die weltwirtschaftliche Einbindung einer Ökonomie ist". Die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Rohstoffexporten und vom Zugang zum internationalen Kapitalmarkt böten hier einen guten Ansatz.

Druckmittel

"So schmerzhaft nun weitere Wirtschaftssanktionen für die europäische Konjunkturentwicklung, deutsche Exporte und einzelne Unternehmen sein werden, sie können und dürfen als Druckmittel auf die russische Regierung nicht ausgeschlossen werden", befand Grillo. Das Verhalten der russischen Regierung "im ukrainischen Sezessionskonflikt" müsse "spürbare Konsequenzen für Moskau" haben. Eine Politik des "weiter so" sei unmöglich geworden.

Die EU hat bereits in mehreren Runden Sanktionen gegen Russland verhängt. Zuletzt einigten sich die EU-Mitgliedstaaten am Freitag "im Prinzip" auf ein Maßnahmenpaket, das unter anderem auf Rüstungsgeschäfte und russische Banken zielt, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Im Gespräch sind zudem Exportbeschränkungen für bestimmte Technologien für den Energiebereich sowie für Güter, die sich zu militärischen und zivilen Zwecken nutzen lassen. (APA, 28.7.2014)