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Teilnehmer der von der UETD veranstalteten Demo am 20. Juli.

Foto: APA/EPA/HERBERT P. OCZERET

Der Gaza-Konflikt bleibt weiterhin heiß. Ob der Waffenruhe-Aufforderung des UN-Sicherheitsrats an die Hamas und an Israel von Montag Folge geleistet wird, scheint derzeit höchst unsicher. Für die Bevölkerung auf beiden Seiten bleibt der Kriegszustand also Realität.

Für Europa, also auch für Österreich, bedeutet dies, dass der Nahostkonflikt weiter Anlässe für antiisraelische Proteste liefern kann und wird, die zum Teil ins Antisemitische driften: So wie es in den vergangenen Wochen war - von den Gaza-Demos in Wien und anderen Städten hin zu den Kickbox-Attacken gegen israelische Fußballspieler von Makkabi Haifa in Bischofshofen.

Lange Geschichte

Also erscheint es dringend geboten, diese Kreise näher zu erkunden - um zu verstehen, wo genau in der modernen österreichischen Gesellschaft die akute, antisemitisch gefärbte Israel-Feindschaft verortet ist. Der Hass auf Juden hat hierzulande ja eine lange und mörderische Geschichte, die keineswegs völlig "bewältigt" wurde, sondern subkutan in weiten Teilen der Bevölkerung weiterwirkt.

Die Israel-Feindschaft geht dabei beträchtlich über die bei den aktuellen Gaza-Protesten im Vordergrund stehenden türkisch-islamistischen Gruppen hinaus. So wies etwa der Medienwissenschafter Maximilian Gottschlich 2012 in einem Interview mit "News" auf damalige Umfrageergebnisse hin, wonach "42 Prozent der Österreicher der Meinung zustimmen, Israel verhalte sich den Palästinensern gegenüber wie die Nazis gegenüber den Juden".

Wunsch nach Schuldabwehr

Mit berechtigter Kritik am Vorgehen Israels, die sich angesichts massiver Vereinnahmungs- und Verunglimpfungsversuche immer schwertut, hat eine solche Ansicht nichts zu tun. Vielmehr steht sie im Dienste des Wunsches nach Schuldabwehr in einer Gesellschaft, die nach wie vor mit der Holocaust-Schuldfrage ringt, so wie es in Österreich der Fall ist.

Das führt auch Gottschlich in besagtem Interview weiter aus: "Wenn es gelingt, dem jüdischen Staat Schuld nachzuweisen, also die Opfer zu Tätern zu machen, dann - so die absurde Logik der Antisemiten - trägt das zur Rehabilitierung der Täter von damals bei", sagt er. Auch hier besteht mit dem aktuellen Gaza-Konflikt kein Zusammenhang. Das Problem ist nur, dass die aktuellen zornigen bis gewaltbereiten Anti-Israel-Proteste in Österreich - und wohl auch sonst in Europa - auf derlei ganz anders motivierte Ansichten treffen. Hier kündigen sich unter Umständen ungesunde Mischungen an.

"Vertreter des politischen Islam"

Aus diesem Grund sollte, was die Einstellung zu Juden und zu Israel angeht, der Zustand der Gesamtgesellschaft ebenso klar benannt werden wie die Proponenten der derzeitigen Gaza-Proteste. Was Letztere betrifft, vermisst etwa der grüne Bundesrat Efgani Dönmez offene Kommunikation. Dass die Proteste von "Vertretern des politischen Islam" befördert würden, von "Menschen, die den Glauben, die religiösen Gefühle anderer instrumentalisieren und missbrauchen, um Politik zu betreiben", werde vielfach aus Gründen falsch verstandener Toleranz unterschlagen, sagte Dönmez kürzlich im Bundesrat.

Konkret nennen er und andere die als verlängerter Arm der Partei des türkischen Regierungschefs Recep Erdogan, der AKP, geltende UETD. Tatsächlich haben derlei Zusammenhänge in Österreich bisher wenig Beachtung gefunden. Doch genau das ist nötig, trotz des positiv stimmenden neuen Integrationsberichts, laut dem das Zugehörigkeitsgefühl von Einwanderern in Bezug auf die österreichische Gesellschaft weiter gestiegen ist. (Irene Brickner, derStandard.at, 28.7.2014)