Wenn über Zuwanderung berichtet wird, verwenden viele Medien gerne Fotos von Frauen mit Kopftüchern, die am Wiener Brunnenmarkt Gemüse einkaufen. Mit der Realität hat das wenig zu tun – nicht nur, weil viele der abgebildeten Frauen hier aufgewachsen sind. Sondern auch deshalb, weil der typische Zuwanderer des Jahres 2013 nicht aus der Türkei oder aus Bosnien kommt, wie diese Bilder wohl suggerieren möchten – sondern aus Deutschland, Ungarn oder Rumänien.

Starker Anstieg bei Ungarn

Fast 60 Prozent der Neuzuwanderer kommen aus der EU, dem EWR und der Schweiz. Die Zahl der hier lebenden Türken hat sich vergangenes Jahr nur um 1.300 Menschen erhöht – im Unterschied dazu ist die Zahl der hier lebenden Ungarn um fast 8.500 gestiegen.

Zuwanderer aus der EU haben zwar niedrigere Hürden beim Fremdenrecht, doch manche Probleme teilen sie mit Migranten aus Drittstaaten: Sie brauchen Hilfe beim Erlernen der deutschen Sprache, bei Job- und Wohnungssuche, bei der Frage, welche Schule ihrer Kinder besuchen sollen und ob ihre eigenen Zeugnisse reichen, um den angestammten Beruf auch in Österreich ausüben zu dürfen.

Die Nachfrage nach Unterstützungsangeboten ist theoretisch also ähnlich hoch, das Angebot jedoch nicht: Dass Zuwanderer aus Rumänien oder Ungarn Deutschkurse besuchen, ist österreichweit nicht vorgesehen, es gibt keine Förderungen. Der größte Anbieter, der Österreichische Integrationsfonds, richtet seine Kurse nur an Drittstaatsangehörige. Erst wenn sie arbeitslos werden, haben Bulgaren oder Slowakinnen Zugang zu den Kursen des Integrationsfonds – dann bezahlt sie nämlich das AMS.

Bei Drittstaatsangehörigen geht der Gesetzgeber den entgegengesetzten Weg: Sie werden nicht sachte gefördert, sondern sind sogar gesetzlich verpflichtet, Deutschtests zu bestehen – andernfalls riskieren sie den Verlust ihres Aufenthaltsstatus.

Wien ist anders

Die Bundeshauptstadt hat sich bereits 2011 entschieden, Kursangebote auch für EU-Zuwanderer zu öffnen. Buchen diese einen Deutschkurs, schießt die Stadt Wien 150 Euro zu den Kurskosten zu, und in Info-Veranstaltungen wird erklärt, wie Gesundheitssystem und Schulen in Wien organisiert sind.

Integrationsminister Sebastian Kurz möchte diesem Beispiel folgen, macht dies aber davon abhängig, ob die EU ihre Spielregeln ändert: Derzeit werden EU-Förderungen nur für Integrationsmaßnahmen an Drittstaatsangehörige vergeben. Es sei deshalb nicht möglich, Sprachkurse auch für EU-Bürger mit Förderbedarf zu öffnen, sagt Kurz bei der Präsentation des Integrationsberichtes am Montag. Er werde sich dafür einsetzen, eine Änderung der Förderrichtlinien zu erwirken – „das entscheiden wir aber nicht alleine“, so Kurz.

In Deutschland ist es EU-Zuwanderern bereits jetzt möglich, geförderte Deutschkurse zu besuchen. Auch Kostenbefreiungen sind vorgesehen, wenn die Person finanziell nicht gut ausgestattet ist.

Ärmere EU-Ausländer

Zugewanderte aus den neueren EU-Staaten, also etwa aus Ungarn, Kroatien oder Rumänien, verfügen über deutlich weniger Einkommen als Menschen, die in Österreich geboren sind – und zwar im Schnitt um fast 5000 Euro pro Jahr weniger.

Sie liegen somit fast gleichauf mit Zugewanderten aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei. In puncto Armutsgefähdung schneiden sie noch schlechter ab: 32 Prozent der in Österreich lebenden EU-Bürger waren im Jahr 2012 armutsgefährdet. Rechnet man die große Gruppe der Deutschen heraus, sind es wohl noch mehr. Zum Vergleich: 30 Prozent der Nicht-EU-Ausländer sind armutsgefährdet, bei Österreichern sind es zwölf Prozent.

Grafik: Florian Gossy

Arme Menschen geben prozentuell mehr Geld fürs Wohnen aus – ihnen bleibt folglich weniger frei verfügbares Bares. EU-Zugewanderte sind hier noch schlechter gestellt als Migranten aus den klassischen Gastarbeiterländern: Fast 40 Prozent geben mehr als ein Viertel des Einkommens fürs Wohnen aus. Bei Ausländern aus Nicht-EU-Staaten sind es nur 34 Prozent, bei Österreichern 18 Prozent.

Mehr Italiener, Spanier, Portugiesen

Während die Nettozuwanderung aus Drittstaaten seit Jahren stagniert, steigt die Migration aus EU-Ländern weiter an. Am meisten Menschen ziehen aus Deutschland, Ungarn und Rumänien zu. Aber auch die Euro-Sorgenkinder feuern die Migrationsstatistik an: Die Zuwanderungsraten aus Portugal, Spanien, Italien und Griechenland sind zweistellig, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Für zugewanderte Erwachsene solle es künftig eine schnellere Anerkennung ihrer Qualifikationen geben, man arbeite an einem eigenen Anerkennungsgesetz, sagt Kurz. Für zugezogene Kinder ohne Deutschkenntnisse sind wie berichtet eigene Vorbereitungsklassen vorgesehen. Auch dafür brauche es gesetzliche Anpassungen, damit diese Kurse für die Schulpflicht angerechnet werden. Kritiker wie etwa das österreichische Rote Kreuz bemängeln, dass es für solche Kurse keine geeigneten Lehrer und Lehrerinnen gibt: Deutsch als Fremdsprache ist bei der Lehrerausbildung bislang nur als freiwilliges Wahlfach vorgesehen. (Maria Sterkl, derStandard.at, 28.7.2014)