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Letztes Jahr bei Nova Rock, heuer beim Poolbar-Festival: Ville Valo von der finnischen Dark-Rock-Band HIM.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Feldkirch - Wird der Vorarlberger erwachsen, begibt er sich freiwillig und frisch geduscht in einen vernünftig dimensionierten Käfig der Rechtschaffenheit, der ihm von der Landesregierung und der katholischen Kirche zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt wird. Darin liest er allmorgendlich die Vorarlberger Nachrichten, jätet tagsüber Unkraut im Ziergarten seiner Seele und gießt abends seinen Bausparvertrag.

Vorher geht er aber noch schnell aufs Poolbar-Festival. Nur einen Notenständerwurf vom ernstmusikalischen Ausbildungszentrum des Landes, dem Landeskonservatorium für Vorarlberg, entfernt, wird gerockt, gepoppt und Gerstensaft konsumiert: zum Wohl! 800.000 Euro Budget hat das famose Festival, damit gehen sich in sechs Sommerwochen gut 50 Acts aus. Im ehemaligen Hallenbad des Jesuitengymnasiums perform(t)en in diesem Sommer etwa Maximo Park, Anna Calvi, The Hidden Cameras, Ja, Panik und und und. Und: HIM.

Die finnische Band - HIM steht für His Infernal Majesty - arbeitet sich seit 1995 mit schwerem Gerät an der thematischen Trinität Liebe/Dunkelheit/Tod ab: Join Me (In Death). Sehnsucht Suizid. Sänger Ville Valo teilt mit Hildegard Knef eine Vorliebe für kellernahe Stimmlagen und ausuferndes Augen-Make-up - eigentlich. Beim Act in Feldkirch erscheint er bleichäugig, im schwarzen Sakko und mit Künstlerkäppi.

Klassisches Frühmittelalter

Nach dem erdigen Matt Boroff ist er auch schon dran. Und los geht's. Kein "Hello, Irgendwo", die ersten zehn Nummern werden schnörkel- und übergangslos durchgebrettert. Bumm-tschak, bumm-tschak, wamm, nur wenig würg. Elektrizität, mit Sang und Klang verbunden, wird oft als angenehm empfunden. Schlagmann Karppinen und Bassist Paananen sind Fleischberg gewordene Antikörper alles Weiblichen: eine Kreuzung von Stefan Raab und dem Steinbeißer. Das schmale Hemd Valo zieht die Sache mit der Routiniertheit eines Udo Jürgens und dem Charme eines Rex Gildo durch. Man erkennt Join Me, Wicked Game, Poison Girl.

Im Publikum viel Jugend, aber auch klassisches Frühmittelalter. Die Freiheitsstatuen des Abendlandes: Männer mit körpermittig etwas ausgedelltem, schwarzem T-Shirt, Zigarette in der rechten Hand, Bier links. Einziges erlaubtes Accessoire: Armgips. Existenzziel: Entspannung. Die Frau geht mit einem Netz aus blondem Haar auf Blickfang. Die Nacht ist noch jung und finster wie die HIM-Songs, Vorarlberg ist fern. Nie mehr Käfig. (Stefan Ender, DER STANDARD, 29.7.2014)