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50 Milliarden Dollar muss Russland an die früheren Aktionäre des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos zahlen - so hat es der Ständige Gerichtshof in Den Haag entschieden (Archivbild).

Foto: Reuters

Es ist ein dicker Schlusspunkt, den das niederländische Schiedsgericht nach fast zehn Jahren im Langzeitprozess der früheren Yukos-Aktionäre gegen den russischen Staat gesetzt hat: Einstimmig erklärten die drei Richter Russland für schuldig, die Yukos-Investoren enteignet zu haben. Die Schadenssumme legte das Gericht auf 50,02 Milliarden Dollar fest. Zugleich muss Russland auch die Prozesskosten in Höhe von 65 Millionen Dollar zahlen.

Der Kläger, Group Menatep Limited (GML), der die Interessen der Ex-Yukos-Aktionäre um Leonid Newslin und Wladimir Dubow vertritt, forderte ursprünglich sogar 114 Milliarden Dollar als Kompensation. Das Gericht senkte die Entschädigung, weil es den ehemaligen Besitzern durch die Nutzung halbseidener "Steueroptimierungsmodelle" eine Teilschuld an der Zerschlagung gibt.

Nachdem der damals reichste Mann Russlands, Michail Chodorkowski, unter dem Verdacht von Betrug und Steuerhinterziehung 2003 festgenommen worden war, leiteten die Steuerbehörden nur ein halbes Jahr später das Vollstreckungsverfahren gegen dessen Konzern Yukos ein. Die Steuerschulden wurden auf umgerechnet gut zehn Milliarden Euro taxiert, während das gewinnträchtigste Unternehmen des Konzerns Ende 2004 in einer dubiosen Versteigerung für nur sieben Milliarden Euro den Besitzer wechselte und letztendlich beim staatlichen Ölkonzern Rosneft landete.

Die Eintreibung von Steuern sei nicht das eigentliche Motiv des Prozesses gewesen, urteilten die Richter daher nun. Russland habe damit gegen Artikel 13 der Energiecharta verstoßen, der die Verstaatlichung von privaten Investitionen verbiete.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte noch vor der offiziellen Bekanntmachung des Urteils, dass Moskau dagegen in Berufung gehen werde. Russland werde "alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen, um seine Position zu verteidigen", kündigte Lawrow an.

In Russland wird speziell der Verweis auf die Energiecharta als unzulässig angesehen. 1994 habe der inzwischen verstorbene Premierminister Wiktor Tschernomyrdin zwar die Energiecharta unterzeichnet, die Duma habe das Dokument aber nicht ratifiziert. "Darum haben wir natürlich einen Grund für eine Berufung", erklärte der Vorsitzende des Moskauer Anwaltskollegiums Alexander Arutjunow.

Auch die Verteidigung hatte wegen der Nichtratifizierung der Energiecharta lange Zeit die Zuständigkeit des internationalen Gerichts angezweifelt und erklärt, die Investoren hätten vor einem russischen Richter gegen ihre Enteignung klagen müssen. Als der Einwand abgewiesen wurde, habe Russland die Möglichkeit zu Verhandlungen gehabt, doch die Chance verstreichen lassen, sagte ein Sprecher von GML.

"Politisch motiviert"

Deren Hintermann Leonid Newslin zeigte sich zufrieden mit dem Prozessausgang und kündigte an, dass die Gruppe bereit sei, notfalls internationale Aktiva Russlands zu konfiszieren, wenn das Land nicht bis zum 15. Jänner 2015 mit der Auszahlung der Schadenssumme beginne. Auch der im Dezember erst frei gekommene Chodorkowski zeigte sich erfreut. "Es ist fantastisch, dass den Yukos-Aktionären eine Chance auf Schadenersatz gegeben wird", sagte er. Selbst wird der Ex-Milliardär von dem Urteil nicht profitieren, da er seine Rechte nach seiner Verhaftung an Newslin abgetreten hatte.

Arutjunow hingegen kritisierte die Entscheidung als politisch motiviert. Der Jurist beurteilte die Chance auf eine Aufhebung des Urteils als gering. Russland müsse in dem Fall wohl zahlen, sagte er, forderte aber zugleich, dass das Land sich künftig aus Verträgen, die Russland internationalen Gerichten unterwerfen, zurückziehen solle.

(André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 29.7.2014)