Graz - Der steirischen Kulturlandesrat Christian Buchmann (ÖVP) übt jetzt scharfe Kritik an den Grazer Rathauspolitikern, die es zugelassen hätten, dass die NS-Mahntafeln des Künstlers Jochen Gerz sukzessive abmontiert werden. "Ich bedauere es sehr, dass es hier zu keinem Kompromiss gekommen ist, das ist wirklich ein sehr unsensibler Umgang mit der Geschichte. Das Erinnerungsprojekt hätte nicht abgebaut werden dürfen", sagte der Landesrat im Gespräch mit dem Standard.

Graz müsse sich ihrer Geschichte als "Stadt der Volkserhebung" bewusst sein. Wäre er heute Kulturstadtrat von Graz - diese Funktion hatte Buchmann bis 2005 inne - "wären die Tafeln ganz sicher nicht weggekommen".

Grünen-Kulturstadträtin Lisa Rücker, die im letzten Moment - vergeblich - versucht hatte, die Gedenktafeln mit einem Dringlichkeitsantrag zu retten, "hätte sich durchsetzen müssen", um das Erinnerungsprojekt zumindest bis zum Gedenkjahr 2018 zu erhalten.

Die Kulturabteilung des Landes hatte das Gedenkprojekt 2008 bei Jochen Gerz, der sich seit Jahren international dem Thema "Erinnerungskultur" widmet, in Auftrag gegeben. Gerz hatte nach einem medialen Aufruf mit steirischen Bürgern, Wissenschaftern, Historikern und Politikerinnen und Politikern des Landtages das Projekt "63 Jahre danach" in Form von Mahntafeln erarbeitet. Der Großteil wurde für Graz, ein Teil für die Bezirke konzipiert, wo die Tafeln ab 2010 als Mahnung an den NS-Terror installiert wurden. Das Projekt war als Kunstwerk auf Zeit definiert und alljährlich verlängert worden.

Der für das Straßenamt zuständige FPÖ-Stadtrat Mario Eustacchio erließ nun aber einen Abbruchbescheid. ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl hätte die Demontage verhindern können, wollte sich aber - eigenen Angaben nach - nicht in die Ressorthoheit seines FPÖ-Regierungskollegen Eustacchio einmischen.

"Es war wirklich ein sehr tolles Projekt", sagt Buchmann, "aber wenn es die Stadt Graz nicht mehr will, können wir es vom Land aus leider auch nicht verlängern." Er halte wenig davon, die Tafeln, wie vorgeschlagen, am Stadtrand wieder aufzustellen. "Das wäre eine völlig sinnentleerte Aktion."

Es gebe bereits "genügend negative Beispiele in Graz, wie Kunstwerke zweckentfremdet worden seien. Etwa der "Uhrturmschatten", ein schwarzes Eins-zu-eins- Gegenstück zum Wahrzeichen der Stadt, der die dunkle NS-Seite der Stadt symbolisiert hatte. Dieser führe jetzt in einem Einkaufszentrum ein "erbärmliches Dasein".

Oder der "Marienlift" von Richard Kriesche, der heute auf dem Gelände des Ökoparks der Stadtwerke Hartberg steht. Der Lift war ausschließlich im Konnex mit der innerstädtischen "Mariensäule" zu verstehen. (Walter Müller, DER STANDARD, 29.7.2014)