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Foto: EPA/Klimentyev/Ria

Wenn bisher das Bild eines Wirtschaftskrieges irgendwo in der Welt beschworen wurde, dann war dieses meistens falsch. In den letzten hundert Jahren wurde kein Krieg aus wirtschaftlichen Motiven geführt, und weder Handel noch Währungspolitik eignen sich für irgendeine Art der Kriegsführung.

Aber diesmal ist es anders. Der Kampf des Westens gegen Wladimir Putins Aggressionspolitik kann nur mit wirtschaftlichen Mittel geführt werden. Denn es gibt zum Glück keine militärische Option. Und erstmals schaut es so aus, als ob ökonomischer Druck einen gefährlichen politischen Gegner tatsächlich so schwächen kann, dass sich dessen Politik - oder das Regime - ändert.

Wirtschaft als Achillesferse

Um es klarzustellen: Ich halte Wladmir Putin so wie viele führende Russland-Kenner für den Vertreter eines repressiven, nationalistischen Faschismus, der Europas Frieden, Wohlstand und Werte bedroht. Aber anders als frühere Gewaltherrscher hat sich Putins Russland vom Rest der Welt nicht abgeschottet und braucht einen stetig wachsenden Wohlstand für breite Kreise der Bevölkerung zur Legitimierung seiner Macht. Die Wirtschaft ist seine Achillesferse.

Zwar konnten sich die EU-Staaten noch auf keine wirklich wirkungsvollen Maßnahmen einigen, und ob dies jetzt gelingt, ist offen. Aber der Kapitalabfluss aus Russland ist in vollem Gange, und die Aussichten für Russlands Wirtschaft sind entsprechend düster.

Um die ausländischen Waren zu bezahlen, die der Mittelstand konsumieren will, kann Russland nur Öl und Gas verkaufen. Doch für die Förderung braucht es westliche Technologie. Fällt diese weg, dann sinken auch die Leistungskraft der russischen Wirtschaft, der Wohlstand der Bürger und die Popularität des Kremlherrn.

Und nun das Yukos-Urteil

Und nun kommt das 50-Milliarden-Dollar-Urteil des Haager Schiedsgerichts gegen den russischen Staat wegen der Enteignung von Yukos vor einem Jahrzehnt dazu. Das Urteil ist eine mehrfache Sensation. Noch nie ging es bei einer Entschädigung um eine so große Summe, und das gegen eine Atommacht, die sich von solchen Aufforderungen unbeeindruckt zeigen könnte.

Aber sobald das Urteil Rechtskraft gewinnt - und das kann noch eine Zeitlang dauern - und wenn Russland nicht bezahlt, hat das Land ein Problem. Sämtliche russischen Vermögenswerte im Ausland können dann gepfändet werden. Das geht nicht rasch und erfordert mühsame Rechtswege. Aber nach dem New Yorker Übereinkommen sind alle unterzeichnenden Länder verpflichtet, solche Schiedsurteile im eigenen Machtbereich durchzusetzen.

Geschäftspartner werden sich hüten

Nach und nach werden Konten, Unternehmensbeteiligungen und andere Vermögenswerte zur Befriedung der Yukos-Ansprüche herangezogen werden. Noch weitreichender könnten die Folgen für russische Geschäfte im Ausland werden.

Wenn über jeden Abschluss und jede Investition das Damoklesschwert einer Pfändung hängt, werden sich die meisten Unternehmen davor hüten, zu Geschäftspartnern zu werden. Und das gilt wohl auch für die OMV und ihr South-Stream-Pipelineprojekt.

Und wie Putin reagiert, wenn ihm die ökonomische Grundlage seiner Herrschaft zusammenbricht - ob mit Einlenken, noch stärkerer interner Repression oder neuen außenpolitischen Abenteuern, die das Volk hinter ihm einen sollen -, kann derzeit niemand sagen.

Denn einen Wirtschaftskrieg wie diesen hat es das letzte Mal vor 200 Jahren gegeben - bei der englischen Seeblockade gegen Napoleon. Und die hat zum Sturz des französischen Kaisers geführt - aber erst nach einem Jahrzehnt. (Eric Frey, derStandard.at, 29.7.2014)