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2012 wurde das Grab der "Dunkelgräfin" von Hildburghausen geöffnet, um Knochenproben für eine vergleichende DNA-Analyse zu bergen. Nun liegt das Ergebnis vor: Die Tote war nicht die französische Königstochter Marie Therese.

Foto: APA/EPA/Michael Reichel

Von vorne und von der Seite: Gesichtsrekonstruktion mit eingeblendetem Schädel.

Fotos: Ursula Wittwer-Backofen, Biologische Anthropologie, Universität Freiburg

Hildburghausen - Einwohner von Hildburghausen und Historiker rätselten seit mehr als 150 Jahren: War die als "Dunkelgräfin" bekannte Tote aus einem Grab in der südthüringischen Kreisstadt die französische Königstochter Marie Therese? Der MDR lüftete am Montagabend in einer Fernseh-Dokumentation zumindest dieses Geheimnis: Sie war nicht die Tochter von Marie Antoinette. Wer die mysteriöse Frau aber tatsächlich war, bleibt weiter im Dunkeln.

Ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam hatte seit der Graböffnung 2012 umfangreiche Untersuchungen an den sterblichen Überresten und vergleichende DNA-Analysen vorgenommen - einerseits mit Proben aus dem Herzen des Dauphin, des Bruders von Marie Therese, das in der Basilika St. Denis in Paris aufbewahrt wird, anderseits mit der DNA eines lebenden Nachfahren, Alexander Prinz von Sachsen.

Beide Proben stimmten nicht mit der DNA der "Dunkelgräfin" überein. "Damit können wir ganz eindeutig sagen: Die Dunkelgräfin kann nicht die Prinzessin sein", sagte Walther Parson, Molekularbiologe am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck.

Die Forscherinnen Ursula Wittwer-Backofen und Sabine Lutz-Bonengel von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg haben das Skelett der Dunkelgräfin nach der Exhumierung der Grabstätte in Hildburghausen anthropologisch untersucht. Die Analyse lieferte wesentliche Hinweise: Die Gebeine gehörten einer älteren Frau, die wenig körperlich beansprucht lebte, jedoch massive Anzeichen von Stress während ihrer Jugend zeigte. Ihre Mundgesundheit war äußerst schlecht – auch hierin zeigt sich die Zurückgezogenheit der Dunkelgräfin. Ärzte wurden nicht zu ihr gelassen.

Gesichtsrekonstruktion

Während die Untersuchungsergebnisse des Skelettes zunächst kompatibel mit der Identität als Prinzessin waren, zeigten sich insbesondere bei Portraitvergleichen Abweichungen. Mit Methoden der dreidimensionalen Bildgebung wurde ein 3D-Scan des Schädels mit Portraits der jungen Prinzessin verglichen. Durch Simulation der Wachstums- und Alterungsprozesse auf der Basis der Portraits konnten die Gesichtsproportionen der gealterten Prinzessin berechnet und mit dem Schädel verglichen werden.

Hierbei zeigten sich auch unter Berücksichtigung stilistischer Interpretationen der Portraitmalerei Abweichungen, die mit den Proportionen des Schädels nicht vereinbar waren. Bildüberlagerungen verdeutlichen die Proportionsunterschiede. Andererseits lassen die Portraits durch eine Reihe von Abweichungen zu der jungen Prinzessin auch Zweifel aufkommen.

Eine alternative Herangehensweise war die virtuelle dreidimensionale Gesichtsrekonstruktion auf der Basis des Schädels. In der Forensischen Anthropologie zur Identifizierung unbekannter skelettierter Toter entwickelt, kann das Verfahren auch individuell auf den jeweiligen Schädel das Gesichtsweichgewebe mit der Gesichtsoberfläche berechnen und dreidimensional darstellen. Auch hierbei zeigte sich ein Gesicht, das wenig Ähnlichkeit mit den Portraits der Prinzessin zeigt.

Die DNA-Analysen bestätigen schließlich den Eindruck: Genetische Verwandtschaftsvergleiche, durch genealogische Recherchen unterstützt, zeigen keine Identität der Dunkelgräfin mit der Prinzessin. Damit ist zwar die Legende, dass es sich bei der Dunkelgräfin von Hildburghausen um die französische Prinzessin Marie Thérèse handelt, entkräftet worden. Das Geheimnis um die Identität der Dunkelgräfin konnte aber nicht gelüftet werden – die historische Detektivarbeit geht weiter.

Verschleierte Dame

Die unbekannte Frau war im Februar 1807 im thüringischen Hildburghausen in Begleitung eines Herren, der sich als Graf Vavel de Versay ausgab, angekommen. Dort lebte sie 30 Jahre bis zu ihrem Tod in absoluter Isolation. Über ihre Identität wurde niemals etwas bekannt. Da sie stets verschleiert zu sehen war, wurde sie die Dunkelgräfin genannt. Zeugen wollen damals eine Ähnlichkeit mit der französischen Königstochter ausgemacht haben, die einzige Überlebende ihrer Familie, deren restliche Mitglieder während der französischen Revolution getötet wurden. (APA/red, derStandard.at, 29.07.2014)