Begeistert tanzen fünf Zombie- Grazien auf ihren Gräbern: Der japanische "Tanz der Finsternis" namens Butô pflegt ein ironisches Verhältnis zu Freund Hein.

Foto: Bozzo

Wien - Ko Murobushi ist der wohl berühmteste alte Grande aus der zweiten Generation des japanischen Butô-Tanzes. Als solcher macht er dem ursprünglichen Geist dieser 1959 von Tatsumi Hijikata (1928-1986) initiierten Körperperformance immer noch alle Ehre: Ankoku Butô war von der dunklen Seele Hijikata als "Tanz der Finsternis" gedacht.

Auch in dem jetzt bei Impulstanz im Akademietheater gezeigten, neu adaptierten und zauberhaften Enthusiastic Dance on the Grave / Dead 1 des heute 67-Jährigen geht es um die unweigerliche Erosion allen Lebens.

Jimi küsst den Himmel

Erst einmal treten drei tote Männer auf. Ihre mit einer silbrigen Farbhaut überzogenen Körper tauchen - im Schulterstand mit den Rücken zum Publikum - aus dem anfänglichen Dunkel auf: Sie halten ihre Füße in die Luft gestreckt, die Köpfe bleiben verborgen. Akustisch macht sich dazu Jimi Hendrix' Nummer Purple Haze breit. Für die Herren Leichen ist ihr verkehrtes Dasein irritierend: "Lately things don't seem the same, / actin' funny but I don't know why / 'scuse me while I kiss the sky."

Sechs Fußsohlen schimmern im Licht dreier Spots. "Don't know if I'm coming up or down. / Am I happy or in misery? / Whatever it is, that girl put a spell on me." Eben. Es muss ein Zauber sein, der aus der finsteren Ecke des Begehrens etwas Ungreifbares holt, das für die Liebe gehalten wird. "You've got me blowing, blowing my mind." Sechs Beine schwanken haltlos in der Leere.

Jimi Hendrix (1942-1970) ist recht jung gestorben. Sein "Purple Haze" aber bleibt "all around". Und die noch Lebenden schmerzensrocken auf dem Grab des Pophelden, bis auch sie von Freund Heins nicht immer zarten Saiten dahin"gerifft" werden. Murobushis drei bereits hingeraffte Männer ziehen ihre Beine an, stoßen tierische Laute aus und verwandeln sich mit hochgereckten Hinterteilen in lächerliche, gerupften Hühnern ähnliche Wesen mit seitlich weggestreckten Armen, deren Hände dem Publikum winken.

Das ist eben auch Butô. Finsternis ja, aber irgendwann muss auch ein Witzchen sein. Damit das Tragische nicht allzu sehr trenzt. Diese Nackthuhn-Körperstellung, die Murobushi bereits vor zwei Jahren in seinem Solo Quicksilver verwendet hat, ist auch hier nicht ohne Absicht eingesetzt.

Das ist ganz klar das Zitat eines ikonisch gewordenen Motivs aus Xavier Le Roys konzeptuellem Tanzklassiker Self Unfinished. Murobushis drei Männer haben ihre Leben als Unvollendete verloren. Daher ertönt ausgiebig das Lied Baïlèro aus den anrührenden Chants d'Auvergne.

Derart in höhere Sphären gehoben, lassen sie dann auch ihre metallisch gefärbten Köpfe zwischen ihren Schultern auftauchen, als wären sie glitzernde Schnecken.

Zombies blecken ihre Zähne

Sie richten sich auf, stürzen immer wieder zu Boden, bis sie von einem gemischtgeschlechtlichen Quintett aus weiß gekleideten Zombies abgelöst werden, die auf Häufchen feinen Sandes, der inzwischen gespenstisch in dünnen Fahnen vom Himmel gerieselt ist, tanzen. Mit enthusiastischem Zittern und Zucken. Gebleckte Zähne. Verspannt die zu Krallen geformten Finger.

Das sind schöne, gefühlstote Monstren, deren Körper sich unter der Last ihrer Sentimentalität erhitzen. Gut möglich, dass man sich selbst in ihnen wiedererkennt. Ko Murobushi jedenfalls meint zu dem Stück: "I want to talk about things that are impossible to talk about." (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 30.7.2014)