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Der Verkauf französischer Kriegsschiffe an Moskau sorgt nicht nur in Kiew für Proteste. Den bereits abgeschlossenen Vertrag will Paris dennoch erfüllen.

Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko

Eine Bredouille mehr für François Hollande. Ausgerechnet während der Ukraine-Krise wird ein Rüstungsdeal mit Russland spruchreif, der schon 2008 geschlossen worden war und damals kaum für Aufsehen gesorgt hatte. Jetzt bedroht er die ganze westliche Einheitsfront gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

In der westfranzösischen Werft von Saint-Nazaire werden derzeit zwei Helikopterträger des Typs Mistral gebaut. Das Auftragsvolumen beträgt 1,2 Milliarden Euro und verschafft tausend Franzosen direkt oder indirekt Arbeit. Das erste der 200 Meter langen Ungetüme, die Wladiwostok, hat ihren Stapellauf bereits hinter sich und soll im Oktober an die russische Marine gehen; 400 Russen werden derzeit in Saint-Nazaire zu diesem Zweck eingeschult.

Camerons Eigentor

Allerdings fordern immer mehr Stimmen Hollande auf, das Geschäft zu stornieren. Darunter sind US-Kongress-Abgeordnete, japanische Regierungskreise oder deutsche Medien wie der "Spiegel". Am härtesten schoss Anfang Juli schon David Cameron: Man dürfe nicht Großmächte aufrüsten, die kleinere Staaten einschüchterten, meinte der britische Premier: "In Großbritannien wäre es undenkbar, eine Bestellung zu erfüllen, wie es die Franzosen tun."

Dummerweise für Cameron erschien tags darauf in London ein Parlamentsbericht, der die britischen Waffenlieferungen in Form von Präzisionsgewehren, Chiffriergeräten oder Nachtsichtlinsen an Russland 2013 auflistete. Das Volumen betrug immerhin 167 Millionen Euro. Der französische Außenminister Laurent Fabius erklärte, London täte besser daran, sich die russischen Oligarchen aus dem Umfeld Putin vorzuknöpfen. Und Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian erinnerte Deutschland daran, dass es indirekt auch den russischen Wehretat fördere, wenn es für Gaslieferungen aus dem Osten Milliarden bezahle. Militärexperten in Paris vermuten, dass US-Kreise generell gegen die französische Rüstungsindustrie - die viertgrößte der Welt - lobbyieren.

Hollandes Hintertür

Diese Gegenargumente ändern aber nichts an der Tatsache, dass die Mistral-Schiffe das gewichtigste Rüstungsgeschäft des Westens mit Moskau darstellen. François Hollande lässt nun eine kleine Hintertür offen: Der zweite Helikopterträger, die Sewastopol, deren Auslieferung noch nicht terminisiert ist, könnte zurückbehalten werden, "wenn Russland seine Haltung nicht ändert". Die Wladiwostok werde aber im Oktober auf jeden Fall ausgeliefert.

Zu viel steht für Frankreich auf dem Spiel. Über die finanzielle Frage hinaus - Paris müsste die 1,2 Milliarden Euro zurückzahlen und saftige Vertragsstrafen entrichten - steht für Frankreich der internationale Ruf als Rüstungshersteller auf dem Spiel. Auch Golfstaaten haben in Frankreich etwa - nach hartem Bieterwettbewerb mit den USA - Panzer bestellt, Indien denkt über den Kauf des französischen Kampfjets Rafale nach. Gerade Länder, die unter US-Einfluss stehen oder wenig demokratische Traditionen haben, könnten die Zuverlässigkeit französischer Rüstungsgüter infrage stellen.

Zugleich weiß Hollande aber, dass die Mistral-Schiffe nicht nur als Helikopterträger, sondern auch zum Truppentransport dienen können. Die russische Marine misst ihnen jedenfalls eine zentrale Rolle zu. Nach dem Georgienkrieg 2008 hatte ein General erklärt, mit einem einzigen dieser Schiffe hätte man Tiflis nicht in vier Tagen, sondern "in zwanzig Minuten" in die Knie gezwungen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 31.7.2014)