Zwei ausgewachsene Kriege im näheren Umfeld - Ukraine und Gaza - beanspruchen die mediale Öffentlichkeit so stark, dass für andere Schauplätze die Aufmerksamkeit fast nicht mehr aufzubringen ist. Obwohl auch sie quasi vor unserer Haustür liegen: In Syrien und im Irak wird weiterhin gekämpft und gestorben, und Libyen hat in den vergangenen Tagen die Schwelle zum Bürgerkrieg überschritten.

Genauer gesagt wird Libyen von mehr als einem Krieg heimgesucht. Es gibt lokale bewaffnete Auseinandersetzungen auf verschiedenen Ebenen zwischen verschiedenen Gruppen, aber es gibt auch einen Grundkonflikt, der durch die jüngsten Wahlen nur noch angeheizt wurde: Die Islamisten wollen die Macht nicht mit den anderen Kräften des Landes teilen. Und weil es keinen Staat mit Gewaltmonopol gibt, stehen den Islamisten ebenfalls Milizen gegenüber, die ebenfalls nicht legitimiert sind.

Nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi hieß es immer, dass Libyen das Einzige der Länder der arabischen Revolten sei, das sich seinen Übergang in eine andere, moderne Staatsform auch finanzieren könne. Inzwischen hat es sich längst als Fluch erwiesen, dass Libyen 95 Prozent seiner Staatseinnahmen aus dem Erdöl bezieht: Denn erstens wird nicht zuletzt um diesen Ressourcenreichtum gekämpft, und zweitens ist nun, da die Produktion auf nur 20 Prozent gefallen ist, Libyen ein ziemlich armes Land. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 31.7.2014)