Der Platzerbach im Platzertal: Der Speicherstandort für das Kraftwerk Kaunertal.

Foto: Christoph Praxmarer

Nach dem schwarz-grünen Deal war es einige Zeit überraschend ruhig gewesen. Ende Juni hatte die Tiroler Landesregierung ihr "Maßnahmenpaket Tirol" vorgestellt. Es beinhaltet unter anderem die Einführung von Tempo 100 auf rund zwei Dritteln des Tiroler Autobahnnetzes - auf Wunsch der Grünen. Was daneben etwas unterging: Im zweiten Teil einigten sich die Koalitionäre auf einen beschleunigten Ausbau von Wasserkraftwerken - mit grünem Einverständnis.

Dass das Natur- und Umweltschutzorganisationen nicht unkommentiert lassen würden, war absehrbar. Nach einem Monat präsentieren WWF, Greenpeace, Global 2000 und das Ökobüro nun eine umfassende Analyse des Regierungspapiers. Ihre Bilanz: "Der größte Anschlag auf die Tiroler Natur der letzten 25 Jahre und ein naturschutzpolitischer Skandal, der unter einer schwarz-grünen Regierung einfach keinen Platz haben darf", schreiben die Verbände in einer gemeinsamen Aussendung.

"Programm unverzüglich zurückziehen"

Konkret kritisieren die Umweltschützer nicht nur bereits lange umstrittene Kraftwerksvorhaben wie die im Kühtai und Kaunertal und die "Zerstörung von Schutzgebieten". Die beauftragten Umweltjuristen hätten etwa auch EU-rechtswidrige Vorschläge zur Anpassung des Naturschutzgesetzes und Verstöße gegen die Vogelschutz- und Wasserrahmenrichtlinie gefunden. Die Verbände fordern die Koalition auf, das Programm "unverzüglich zurückzuziehen" und stattdessen ein neues Paket auszuarbeiten - unter Einbindung der Öffentlichkeit.

Vor allem von den Grünen sei man enttäuscht: "Es schmerzt, dass dieses Maßnahmenpaket genau von einem Partner kommt, mit dem man jahrelang zusammengearbeitet hat", sagt Christoph Walder, Leiter des WWF Tirol.

Missverständnis Energiewende

Thomas Alge, Geschäftsführer des Ökobüros Österreich, bemängelt, dass die Tiroler Regierung missverstanden habe, was das Wort "Energiewende" bedeute. "Nämlich nicht, dass man unter ihrem Deckmantel jahrzehntealte Umweltschutzbestimmungen aushebelt." Keine Umweltorganisation sei gegen sinnvolle Projekte der Energiewende, ergänzt Hanna Simons, Direktorin für Umweltpolitik bei Greenpeace - nur eben gewiss nicht so.

Die stellvertretende Landeshauptfrau Ingrid Felipe (Grüne) gibt sich verständnisvoll und will beschwichtigen: "Gut, dass wir diese kritischen Rückmeldungen schon vor der Fertigstellung des Begutachtungsentwurfes erhalten und mitbedenken können. In der Begutachtungsphase haben die Experten und NGOs noch einmal die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre kritische Sichtweise in Form von Stellungnahmen einfließen zu lassen."

Seitenhieb Richtung Grüne

Zumindest zwei Maßnahmen würden die Umweltorganisationen an dem Paket dann doch begrüßen: Tempo 100 auf der Autobahn und einen definierten kraftwerksfreien Raum am Inn. "Aber wenn man für eine Nudelsuppe das ganze Tafelsilber verkauft, ist das kein Erfolg", richtet Walder den Grünen aus. (Katharina Mittelstaedt, derStandard.at, 31.7.2014)