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Der Eingang des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen wird für die Dauer der Antibiotikagabe geschlossen.

Foto: APA/ERNST WEISS

Wien - Alle Asylwerber und Betreuer im Lager Traiskirchen hätten "ein Medikament gegen die Krankheit Meningokokken einzunehmen". Erst wenn sie dieses geschluckt hätten, dürften sie das Lager wieder verlassen: So weit die dem STANDARD vorliegende Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom Donnerstag, nachdem ein 35-jähriger somalischer Flüchtling in einem Wiener Spital an infektiöser Gehirnhautentzündung gestorben war.

Laut Innenministerium ist der Mann vergangene Woche nach Österreich gekommen. Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass es sich um einen 24-jährigen Mann handelt, der sich bereits seit Ende Juni im Land aufgehalten haben soll. Die beiden Männer dürfen die Identitätskarten getauscht haben.

Babler: "Epidemiegefahr"

Donnerstagvormittag hatte das Innenministerium im Gesundheitsministerium 2000 Antibiotikatabletten zur einmaligen Einnahme angefordert. Nach Schlucken der Pille sei die Gefahr einer Ausbreitung der Krankheit gebannt, sagt dort eine Sprecherin.

Von "Epidemiegefahr" wegen Überbelags im Lager spricht indes der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler (SP). Auch in dem gewerberechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden, der weitere Aufnahmen von Asylwerbern in Traiskirchen seit Mittwoch untersagt, sei davon die Rede, sagte er dem STANDARD.

In dem Bescheid geht es um die Situation in den Räumlichkeiten der mit der Asylwerber-Betreuung beauftragten Schweizer Firma ORS - nicht also in den Häusern, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind. Im Aufnahmezentrum, dem Info-Point, der Küche, dem Speisesaal sowie dem Fitnessraum seien Baumängel festgestellt worden, und es hätten Hinweisschilder gefehlt.

Gefahr in Verzug habe etwa bei einem Public Viewing in dem von Turngeräten leergeräumten Fitnessraum während der Fußball-WM bestanden. Zwei Asylwerber seien verbal aneinandergeraten. Die Polizei sei alarmiert worden. Dem Vernehmen nach will ORS den Aufnahmestopp-Bescheid juristisch bekämpfen. Das aber dürfte Monate dauern.

Bablers scharfe Kritik an Innenministerium

Bei einer Pressekonferenz in Wien übte Babler zudem scharfe Kritik am Innenministerium. "Es ist skandalös, dass ich nicht über den Fall informiert wurde. Es ist wieder zum Ausdruck gekommen, wie schlecht das System funktioniert", sagte Babler. Am 29. Juli habe es den Verdacht und am Folgetag eine Diagnose gegeben, dennoch habe Babler aus den Medien von dem Todesfall erfahren.

"Man hat wertvolle Zeit verstreichen lassen. Da sieht man, wie unprofessionell und unverantwortlich der Umgang des Innenministeriums ist", kritisierte Babler. Dies gelte speziell für den Umstand, dass erst am Donnerstag mit der prophylaktischen Antibiotika-Gabe bei den mehr als 1.300 Flüchtlingen im Lager Traiskirchen begonnen worden sei. Er sei als Bürgermeister schließlich auch für die im Flüchtlingslager tätigen Rettungskräfte oder Feuerwehrleute verantwortlich, die potenziell ebenfalls in Kontakt mit dem Verstorbenen hätten kommen können.

Kritik zurückgewiesen

Ein Sprecher des Innenministeriums wies die Vorwürfe zurück. Man müsse sich einerseits an die zuständige Gesundheitsbehörde, nämlich die Bezirkhauptmannschaft Baden, richten. Andererseits habe das Ressort erst selbst am Donnerstag von dem Fall erfahren und "umgehend die notwendige Information" veranlasst. Zudem finde man es im Innenministerium "bedauerlich", dass Babler einen Termin mit Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am selben Tag von sich aus abgesagt und nicht für eine sachliche Diskussion genützt habe.

Im Zuge der Pressekonferenz übte Babler auch neuerliche Kritik an der Flüchtlingspolitik des Bundes und plädierte dafür, die "Massenlager" für Asylanten abzuschaffen. "Mit so einem Wahnsinn möchte ich nichts zu tun haben", sagte Babler. (Irene Brickner, DER STANDARD, APA, 1.8.2014)