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Der türkische Vizepremier Bülent Arinç mag kein Frauenlachen.

Foto: REUTERS/Umit Bektas

Vor zehn Jahren noch war er vorsichtiger. "Die Türkei ist ein demokratischer und säkula- rer Rechtsstaat", sagte Bülent Arinç. Religiöse Überzeugungen und hei-lige Grundsätze dürften nicht in das Alltagsleben hineinregieren.

Arinç war damals türkischer Parlamentspräsident und auf Wien-Besuch. Heute schreibt er den türkischen Frauen vor: "Sie sollen nicht in aller Öffentlichkeit laut lachen." Nach mehr als einem Jahrzehnt an der Macht und ohne starke Opposition fühlen sich die Konservativ-Religiösen in der Türkei unangreifbar. Längst wird in den Alltag hineinregiert.

Dabei hat der mittlerweile 66-jährige Arinç bei seiner Rede zum Ende des Fastenmonats nichts gesagt, was sein frommes Publikum nicht auch erwarten würde. Angesichts der Protestwelle von Frauen, die ihm lachende Selbstporträts auf sein Twitterkonto schickten, legte der türkische Regierungssprecher und Vizepremier noch nach. Nun ließ er sich über verheiratete Frauen aus, die mit ihren Liebhabern in den Urlaub führen. Provokationen für den säkularen Teil der Gesellschaft verkündet er in aller Seelenruhe. Die Hagia Sophia in Istanbul werde hoffentlich bald wieder eine Moschee, sagte er vergangenes Jahr.

Arinç ist die Nummer drei im Machtgefüge der AKP nach Premier Tayyip Erdogan und Staatschef Abdullah Gül. Er gilt als Ruhepol der Regierung, das großväterliche Gesicht, das jede Woche vor die türkische Presse in Ankara tritt und seine Zuhörer mit "Freunde" begrüßt. Dann bügelt Arinç mit sonorer Stimme glatt, was der aufbrausende Erdogan zuvor politisch angerichtet hat.

Der Sohn eines Unteroffiziers der Gendarmerie wurde 1948 in Bursa geboren und blieb den Großteil seines Lebens im Westen der Türkei. In Manisa, nicht weit von Izmir, arbeitete der Jurist Arinç als Rechtsanwalt. Dort schloss er sich auch der konservativ-islamistischen Partei der Nationalen Rettung des späteren Premiers Neçmettin Erbakan an.

1985 wurde Arinç wegen einer Rede zu 50 Monaten Haft verurteilt; ein Berufungsgericht hob das Urteil auf. Seit 1995 ist er ohne Unterbrechung Parlamentsabgeordneter - erst für Erbakans Parteien, seit 2002 für die AKP.

Mehrfach aber hat ihn Erdogan im vergangenen Jahr düpiert. Arinç war es, der sich mit den Gezi-Vertretern an einen Tisch gesetzt und sich für die Polizeigewalt entschuldigt hat. Als Erdogan ihn deswegen rügte, wollte Arinç alles hinwerfen. Gül redete ihm das aus - bisher noch. (Markus Bernath, DER STANDARD, 1.8.2014)