Das Bild eines amerikanischen Geierfonds, der mithilfe der Gerichte seines Landes ein verarmtes lateinamerikanisches Land in die Pleite treibt, ist hässlich anzuschauen. Aber die rechtliche und ökonomische Realität des Kampfes von Argentinien gegen Paul Singer, den Eigentümer des Hedgefonds Elliott Management, ist etwas komplexer.

Seit seiner ersten spektakulären Staatspleite im Dezember 2001 steht Argentinien mit der gesamten Finanzwelt auf Kriegsfuß. Die Bezahlung von Schulden über 100 Milliarden Dollar wurden damals einseitig ausgesetzt; dass die meisten Gläubiger drei Jahre später einen Schuldenschnitt von rund 70 Prozent akzeptierten, lag daran, dass sie sonst fürchten mussten, ganz leer auszugehen. Frische Kredite wurden Argentinien seither nicht mehr vergeben, weil das Land als zutiefst unzuverlässig gilt.

Das liegt auch am katastrophalen Wirtschaftskurs von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und ihrem verstorbenen Vorgänger und Ehemann, Néstor Kirchner. Zu ihm gehören willkürliche Eingriffe ins inländische und ausländische Privateigentum, eine Brüskierung der Partnerstaaten in der Freihandelszone Mercosur bis hin zur Strafverfolgung von Ökonomen, die entgegen der Regierungspropaganda die richtige Inflationsrate berechneten und veröffentlichten. Verkauft wird diese Politik als Kreuzzug gegen den Kapitalismus und die internationale Finanz.

Mit Singer fanden die Kirchners einen ebenbürtigen Gegner. Er ist ein neoliberaler Ideologe, der nicht nur Geld verdienen, sondern auch die Politik von Ländern verändern will. Der Aufkauf der einst fast wertlosen argentinischen Anleihen und sein Nein zur angebotenen Umschuldung war eine gewagte Spekulation. Dass Singer vor den US-Gerichten nicht nur recht bekommen würde, sondern auch die Mittel in die Hand, um sein Recht auch durchzusetzen, konnte niemand voraussehen.

Doch auch in den letzten hektischen Verhandlungen wäre eine Einigung möglich gewesen, wenn die beiden Parteien dies gewünscht hätten. Doch weder Singer noch der argentinische Wirtschaftsminister Axel Kicillof waren an Kompromissen interessiert. Beiden ging es ums Prinzip - um zwei schwer vereinbare Grundsätze.

Der erste ist, dass auch souveräne Staaten ihre Schulden ohne entsprechende Vertragsklauseln nicht einfach für ungültig erklären dürfen, sondern eine Verhandlungslösung suchen müssen. Damit wird sich auch Österreich beim Hypo-Gesetz noch auseinandersetzen müssen.

Dem steht entgegen, dass Staaten in Finanznöten genauso wie Unternehmen und Private ein Anrecht auf Um- und Entschuldung haben. Und Staaten sind hier privilegiert, weil sie kaum gepfändet werden können.

Deshalb ist der Kampf noch nicht entschieden. Argentinien kann mit der Insolvenz leben; Singer droht daher unter den jetzigen Voraussetzungen nie Geld zu sehen. Aber niemanden macht dieser Zustand glücklich. Deshalb dürften die Verhandlungen wohl bald weitergehen.

Auch die Folgen für andere Staaten sind begrenzt. Immer mehr Anleihen beinhalten Klauseln, die ein solches Patt verhindern sollten. Doch selbst wenn es, wie seit Jahren gefordert, zu einer internationalen Insolvenzordnung für Staaten kommt, müssen sich Regierungen an die Spielregeln halten. Argentinien hat das bisher bewusst verweigert, im In- wie im Ausland. (Eric Frey, DER STANDARD, 1.8.2014)