Gott mit uns: Kriegspropaganda auf Mörser mit Stößel

Foto: Tina King

Wien - Mit großem Jubel begrüßte die österreichische Bevölkerung am 28. Juli 1914 die Kriegserklärung an Serbien. Nicht nur das Heer, auch Industrie und Gewerbe rüsteten sich - für viele erwartbare Aufträge und Geschäfte: von Waffenproduzenten über Tuchmachern bis hin zu Herstellern patriotischer Artikel.

Zu Letzteren zählte auch die niederösterreichische Wilhelmsburger Steingutfabrik. Schon vor der Jahrhundertwende hatte das im Besitz der Familie Lichtenstern stehende Werk vereinzelt Teller und anderes Keramikgeschirr mit patriotischen Motiven erzeugt, mit denen die Käufer ihre Verbundenheit zu Kaiser und Vaterland zur Schau stellen konnten.

Doch jetzt wurden die Öfen vermehrt eingeheizt, um aus Ton, Quarz und Feldspat Teller, Canette (Krüge) Häferln oder Mörser zu brennen, die dann mit Buntdruck-Abziehbildern des österreichischen oder deutschen Monarchen, mit grünem Eichenlaub oder schwarzen Reichsadlern zu verehrungswürdigen Gegenständen ausgeschmückt wurden.

Was Wilhelmsburg von anderen Erzeugern unterschied, war die patriotische Produktionslinie mit Schablonendekoren. Mithilfe von gestanzten Vorlagen wurden unter anderem die auch von Kaiser Franz Joseph hochgeschätzten Husaren, Infanteristen mit Gewehren und Skoda-Belagerungsmörser oder Parolen wie "Mit Gott für Kaiser und Vaterland" in mehreren Schichten aufgemalt.

"Großer Profiteur des Krieges"

"Zumindest die ersten zwei Jahre war die Fabrik, zu der auch ein Werk in Znojmo gehörte, großer Profiteur des Krieges", weiß der Sammler René Edenhofer, der sich schon länger mit Wilhelmsburger Steingut beschäftigt. Keramik war "kriegswichtiges Gut" für Kasernen und Lazarette, und die Produktion staatstragender und Kampf- und Siegeslust verbreitender Gegenstände der k. k. Obrigkeit höchst willkommen.

Im Laufe seiner Sammeltätigkeit fielen dem entschiedenen Nichtmilitaristen auch diese "Militaria" auf. Mehr als 100 Stück davon hat er ebenso zusammengetragen wie alles erforschbar Wissenswerte darüber. Das war dann so viel, dass er "Patriotische Dekore auf Wilhemsburger Steingut" zum Gedenkjahr 2014 in ein lesenswertes und anschauliches Buch packte.

So fand er heraus, dass für viele der Motive bei Postkarten abgekupfert wurde - die er gleich mitsammelte. Einmal Sammler, immer Sammler. Eine große Herausforderung bei den patriotischen Produkten in den Kriegsjahren 1914-1918 war die eindeutige Zuordnung zum Werk in Wilhelmsburg und Znojmo. "Mit Kriegsbeginn wurden viele der patriotischen Erzeugnisse nicht mehr mit einer Bodenmarke versehen", erzählt Edenhofer - vermutlich wollten die Großhändler ihre Lieferanten nicht preisgeben.

Preise gestiegen

Wie viele der bunten, Glanz, Gloria und Unbesiegbarkeit des österreichischen und deutschen Kaiserreichs und seiner Verbündeten verherrlichenden Keramikstücke seinerzeit hergestellt wurden, lässt sich nicht mehr recherchieren. Fest steht, dass spätestens ab 1918 die Produktion derselben in Wilhelmsburg eingestellt wurde. Auch der schönste patriotische Motivteller konnte keine Hochgefühle mehr verbreiten.

Heute sind es historische Artefakte, beliebt bei Monarchisten und Militaria-Sammlern. Vereinzelt lassen sie sich auf Flohmärkten aufstöbern. Insider schauen sich auf Spezialplattformen in Österreich und den ehemaligen Kronländern um. Im Vorfeld des Gedenkjahres 1914 seien die Preise kräftig angestiegen, weiß Edenhofer zu berichten. Für Teller, die er vor wenigen Jahren für fünf bis zehn Euro gekauft habe, würden derzeit je nach Motiv und Ausarbeitung zwischen 50 und 100 Euro verlangt. "Die Preise werden wieder zurückgehen", sagt er. "Aber auf einer Höhe bleiben, die sie früher nicht besessen haben." (Karin Tzschentke, DER STANDARD, 1.8.2014)