Wenn auf Briefkästen etwas klebt, dann sind das meist Werbeabwehrkleber. Schade eigentlich, denn der blecherne Postsammler im Hausflur wäre eine Fläche mit öffentlichkeitswirksamem Potenzial - wenn man etwas zu sagen hat. Dem stiefmütterlichen Dasein des Blechs hat nun ein junges Schweizer Designkollektiv etwas entgegenzusetzen. "Sag es über den Briefkasten" quasi.

So finden die Sticker Platz.
Foto und Design: Meteor Collectif

Die Aufkleber ihres Community-Sharing-Projekts "Pumpipumpe" finden auf Briefkästen Platz, deren Besitzer etwas zu verleihen haben. Wer Dinge wie Fahrradpumpen, Hammer oder Discokugeln besitzt, kann auf diesem Weg seinen Willen bekunden, sie unkompliziert Nachbarn zu borgen: anläuten und fragen, und das war es auch schon.

Foto und Design: Meteor Collectif

Vom Mixer bis zum Campingzelt

46 hellblaue Pickerln, die Illustratorin Sabine Hirsig entworfen hat, zeigen Hausrat aller Art, der nur selten verwendet wird und oft unbenutzt auf seinen nächsten Einsatz wartet. Wie oft braucht man schon eine Lichterkette oder ein Stativ? Am beliebtesten sind die Motive Fahrradpumpe, Mixer und Fondue-Set.

Für jeden Haushalt ist hier etwas dabei.
Foto und Design: Meteor Collectif

Den Designern ist es am liebsten, wenn man die Sticker selbst bei ihnen abholt, um Feedback zu bekommen, es gibt sie aber auch kostenlos online. Die neuesten von der Sharing-Community gewünschten Motive sind Rasenmäher, Kostüme, Zeitungen, Bücher und Drachen. Letzteres zeigt, dass die Sticker auch zu Ideen anregen, was man mit seiner Freizeit anfangen kann und schon lange nicht mehr gemacht hat.

Eine generationsübergreifende Offline-App

In Zeiten der zahllosen Tauschbörsen im Internet ist dies eine richtig einfache Offline-Sache. "Ich kenne keine Sharing-Plattform in der Schweiz, die sich online durchgesetzt hat, schon alleine wegen des Aufwands, die Dinge zu fotografieren, ins Internet zu stellen und Accounts anzulegen. Daher wollten wir etwas sehr Simples, Lokales und Generationenübergreifendes machen", erzählt Produktdesignerin Lisa Ochsenbein von Meteor Collectif, die das Projekt gemeinsam mit Sabine Hirsig und Ivan Mele vor zwei Jahren gegründet hat. Damals ist Ochsenbein in der Straße in Bern, wo ihr Büro steht, von Haus zu Haus gegangen um die Idee zu verbreiten. Heute zählt sie 5000 Haushalte, die die Sticker verwenden. In Deutschland gibt es seit kurzem eine eigene Pumpipumpe-Zweigstelle in Hamburg.

Wenn mehrere Mieter eines Hauses mitmachen, sieht das so aus.
Foto: Meteor Collectif

Warum aber designt eine Produktdesignerin, die momentan an einer Taschenkollektion arbeitet, ausgerechnet Sticker für Dinge, die wiederverwertet werden? "Ich habe ein Interesse daran, dass meine entwickelten Produkte hochwertig und langlebig sind. Heute werden aber viele Sachen gezielt so produziert, dass sie möglichst schnell kaputtgehen. Das widerstrebt mir." Ochsenbein will mit ihrem Nachhaltigkeitsprojekt dagegenhalten. Dafür wurde das Projekt auch schon mehrfach ausgezeichnet: "Pumpipumpe" gewann etwa den Bundespreis Ecodesign Nachwuchs 2013 und wurde Finalist beim European Design Award 2013 in der Kategorie Corporate Illustration.

Eines der gezeichneten Motive. Ein Klassiker jener Dinge, die gerne verstauben, weil sie einmal im Jahr verwendet werden.
Foto und Design: Meteor Collectif

Kleine Zweigstelle Wien

"Pumpipumpe" hat es heuer im Mai mit der Bundespreis Ecodesign Ausstellung bis nach Wien geschafft. Designaustria präsentierte die Preisträger im Designforum Wien. Ein Fan ist Cloed Priscilla Baumgartner mit ihrem Modelabel Milch.tm, die selbst gern neue Konzepte der Share Economy ausprobiert und große Kleidertauschpartys veranstaltet. In ihrem Laden Y5 am Yppenplatz verteilt sie die Sticker der Schweizer an Interessierte. Sie hat auch ihre eigenen Postkästen beklebt, aber noch keine Reaktionen aus der Nachbarschaft erhalten: "Ich finde das Konzept genial. Kann mir aber vorstellen, dass es in der Schweiz besser funktioniert, dort funktionieren ja auch Konzepte wie Selbstbedienungs-Hofläden prima."

Crowdfunding und Sponsoring

Reich werden die Nachwuchsdesigner mit dem Projekt nicht. Sie stecken ihr Herzblut neben ihren eigentlichen bezahlten Jobs hinein. Erfolgreiches Crowdfunding hat es überhaupt erst ermöglicht, dass sie die Sticker nicht mehr selbst ausdrucken und ausschneiden müssen, sondern nun professionell produzieren lassen können. Momentan halten Preisgelder, private Spender und Sponsoren das Projekt am Laufen.

Das Meteor Collectif will unbedingt mit "Pumpipumpe" weitermachen, und Ochsenbein bringt die Motivation dahinter auf den Punkt: "Es ist unglaublich, wie viele Stabmixer und Pastamaschinen es im Umkreis von hundert Metern gibt, und wie wenig die Leute heutzutage im realen Leben vernetzt sind." Ihre Aukleber könnten letztendlich auch helfen, dass Nachbarn sich überhaupt erst begegnen. (Marietta Adenberger, 6.8.2014)

So klappt es auch mit dem Nachbarn.
Foto: Meteor Collectif