Keine Frau muss sich für eine Abtreibung schämen. Das sollte 2014 selbstverständlich sein. Doch angesichts mancher Entgegnungen auf den Vorstoß von Gesundheitsminister Alois Stöger, auch in Tirol und Vorarlberg Abtreibungen in öffentlichen Spitälern anzubieten, gewinnt man einen völlig anderen Eindruck. So meinte Christian Marth, Leiter der Uniklinik Innsbruck, dass es einer Frau ganz recht sei, wenn sie für einen Abbruch weit fahren müsse, sonst sitze sie im Wartezimmer vielleicht "neben der Nachbarin" und schäme sich - wovon Marth offenbar ausgeht.

Das zeugt von einer Geisteshaltung, die sich seit Inkrafttreten der Fristenregelung 1975 nicht weiterentwickelt hat und die noch immer weit verbreitet ist: Frauen sollen sich zwar nicht mehr der Gefahr einer illegalen Abtreibung aussetzen müssen - aber genieren sollen sie sich weiterhin, auch eine weite Fahrt ist ihnen zuzumuten - und freilich sollen sie auch die stark variierenden Kosten selbst tragen.

An diesen Hürden wird in Österreich mehr oder weniger festgehalten, seit 40 Jahren. Umso wichtiger, dass Stöger im Zuge seiner Forderung nicht darauf vergisst, worum es im Kern geht: Den Zugang zu Abtreibungen zu erleichtern "ist ein Schritt zur Selbstbestimmung von Frauen". Wer Hürden verteidigt, hat mit dieser Selbstbestimmung ein Problem und sieht es lieber, dass sich Frauen für ihre Entscheidung gegen eine Schwangerschaft schämen. (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 1.8.2014)