Schon der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt hielt im 19. Jahrhundert Nicaragua für den geeignetsten Ort für einen Kanal zwischen Atlantik und Pazifik. Nun soll die Idee mithilfe der Chinesen Wirklichkeit werden. Im Vorjahr verkündete Nicaraguas Präsident Daniel Ortega den Plan, vor einigen Wochen stellte er zusammen mit dem chinesischen Konsortium HKND die Route vor. Ende 2014 soll Baubeginn sein, 2020 die Inbetriebnahme.

Ortega erhofft sich davon einen Entwicklungsschub für das ärmste mittelamerikanische Land. Für die Chinesen ist die Handelsroute zwischen Orient und Okzident strategisch wichtig. Bereits jetzt haben sie Anteile an den beiden wichtigsten Häfen Panamas, Balboa und Colon, und bauen Logistikzentren in Jamaika und Mexiko. "Wer das Meer beherrscht, kontrolliert den Handel, und wer den Handel kontrolliert, dominiert die Welt", sagt der panamaische Schifffahrtsexperte Carlos Ernesto de la Lastra.

Der Vertrag, den das Konsortium mit Ortega unterzeichnete, überträgt den Chinesen für bis zu 100 Jahre die Konzession und erlaubt ihnen Enteignungen im ganzen Land. Dagegen regt sich Widerstand. Alle 30 Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens wurden von dem von Ortega kontrollierten Höchstgericht in Rekordzeit abgewiesen.

Bauern fürchten Enteignung

Umweltschützer sind dagegen, dass der Kanal durch den größten Binnensee Mittelamerikas führt, der nicht nur eine wichtige Trinkwasserreserve ist, sondern auch die weltweit einzigen Süßwasserhaie beherbergt. Bauern fürchten, entschädigungslos enteignet zu werden. Unternehmer kritisieren, dass die 50.000 Leiharbeiter vor allem aus China stammen.

Die Opposition bemängelt Intransparenz und Korruption. "Mittelsmann ist der Sohn Ortegas, Laureano", sagt der oppositionelle Publizist Carlos Fernando Chamorro. "Das erweckt nicht gerade Vertrauen." Der chinesische Bauherr Wang Jing (42) war bisher völlig unbekannt. Dass seine Financiers "geheim" sind und Chinas Regierung beteuert, nicht hinter dem Projekt zu stehen, wirft weitere Fragen auf. (wss, DER STANDARD, 4.8.2014)