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Auf den Rekordverlust von 3,6 Milliarden Euro folgt bei der Banco Espírito Santo die Zerschlagung.

Foto: APA/EPA/MARIO CRUZ

Granada/Lissabon - Portugals 1869 gegründete Banco Espírito Santo (BES) ist seit Montag Geschichte. Unter dem provisorischen Namen "Novo Banco" (NB, dt. Neue Bank) wird das marode Institut neu aufgestellt. In Summe 4,9 Mrd. Euro lässt sich der Staat die Rettung kosten. Sonntagnacht verkündete Carlos Costa, Chef der Banco de Portugal, die Verstaatlichung der Problembank, die über Jahrzehnte von der gleichnamigen Bankiersfamilie zum international-verworrenen Imperium aufgebaut worden war.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Staat sich die BES einverleibt. Nach der Nelkenrevolution 1974/75 war die Bank zeitweise verstaatlicht gewesen. Mit 8,5 Prozent Kernkapital liegt die neue NB über den sieben Prozent, die das EU-Bankenreglement vorschreibt. BES-Aktionäre müssen jedoch einen Totalverlust verkraften, darunter die beteiligte Familie Espírito Santo (20 Prozent) und die französische Großbank Credit Agricole (14,6 Prozent). BES-Titel waren zuletzt bei knapp zehn Cent gehandelt worden (April-Stand: 1,32 Euro). Neben den Aktionären müssen die Nachranggläubiger der Bank bluten. BES-Sparguthaben sind im Gegenzug gesichert.

Die Zentralbank hat damit nach Tagen der Spekulation die Reißleine gezogen. Vergangene Woche publizierte die Bank einen Rekordverlust von 3,6 Mrd. Euro im ersten Halbjahr. Tag für Tag mehrten sich Kollateralschäden. Bank- und Unternehmensaktien sackten am Lissabonner Leitindex PSI-20 mit der BES in den Keller.

So läuft nun Portugals Aufräumarbeit ab: Faule Kredite von rund 4,6 Milliarden Euro werden in einer "Bad Bank" ausgelagert. Diese wird noch als BES benannt und bis zum Abverkauf weitergeführt. Darin gebündelt finden sich Passiva der BES-Mutter Espírito Santo Financial Group in Luxemburg, und vieler Töchter, wie BES-Angola (die selbst frisches Kapital braucht), RioForte oder Espírito Santo International (ESI, Miami).

Restgeld für Rettungsring

Das komplexe Firmengeflecht wird auch Ermittler und Aufseher beschäftigen. So sollen über die ESI via des Schweizer Finanzdienstleisters Eurofin Kreditprodukte verkauft worden sein, um die BES finanziell zu stützen. Der letzte Bankdirektor des Familienclans, Ricardo Espírito Santo Silva Salgado, wird sich zudem für das Missmanagement, das zivil- und strafrechtliche Grenzen überschritten haben soll, mit Ex-Aufsichtsratskollegen vor Gericht verantworten - unter anderem wegen Betrug, Bilanzfälschung und Geldwäsche.

Als Argumentationshilfe für die unpopuläre Bankenrettung dient der Regierung in Lissabon, dass man vorerst ohne direkte Kosten fürs Budget auskommt. Von 4,9 Milliarden Euro werden 4,4 Mrd. Euro nicht verwendete Mittel der Troika aus EU, EZB und IWF sein. Und es handelt sich um einen "vorübergehenden Kredit", wie es Zentralbankchef Costa nennt. Das Geld soll zurückfließen, wenn die "Neue Bank" an Investoren verkauft wird.

Dank dieser Konstruktion mit dem Abwicklungsfonds verhindert die Regierung von Premier Pedro Passos Coelho, dass sich die BES-Rettung im Budget niederschlägt. Von 78 Mrd. Euro, die im Mai 2011 den Staatsbankrott abwendeten, waren zwölf Mrd. Euro für den Finanzsektor reserviert. Teils flossen diese in die Banco Portugues de Negócios (BPN), die Finanzspritzen von mehr als acht Mrd. Euro - darunter Steuergelder - bedurfte. Übrig blieben 6,4 Mrd. Euro. Das "Restgeld" der Troika war freilich allseits bekannt. Die Oppositionsparteien forderten seit Jahren die Verwendung für soziale Zwecke.

Die verbleibenden 500 Mio. Euro sind ebenso FRB-Gelder, der 187 Mio. Euro Eigenmittel aufbringt, neben Zahlungen weiterer Banken. Konkret von BES-Kreditgebern und -nehmern, wie der staatlichen Caixa Geral de Depósitos, oder den privaten Banco Comercial Português, Banco Português de Investimento, der Portugal-Tochter der Banco Santander, Montepio, Caixa Geral, Banif und Crédito Agrícole. (Jan Marot, DER STANDARD, 5.8.2014)