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Carmen Kreuzer klagt an.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Carmen Kreuzer war eines der wenigen österreichischen Topmodels. Nach eigenen Angaben Muse von Modedesigner Karl Lagerfeld, lief sie für die großen Namen der Branche über die internationalen Laufstege und prangte auf den Titelseiten von "Elle" und "Vogue". Am Montag tritt sie als Vergehensopfer vor Richterin Eva Brandstetter auf – bestohlen von einem guten Freund im Café Babsi.

Der Freund, mit dem sie sich seit rund eineinhalb Jahren fast täglich getroffen hat, wie sie sagt, ist Hermann A., 48 Jahre alt. Er ist Frühpensionist, hat als Alleinerzieher zwei Kinder zu versorgen und einen Kredit von 25.000 Euro zurückzuzahlen, wie er der Richterin erzählt.

Dass er überhaupt mit einer Diebstahlsanklage hier sitzt, überrascht den Vorbestraften. „Ich wusste gar nicht, dass die Frau Kreuzer wirklich eine Anzeige macht“, sagt er Brandstetter. Dementsprechend bekennt er sich auch nicht schuldig und erzählt, dass er eigentlich nur einen Freundschaftsdienst geleistet hat.

"Sehr, sehr viel getrunken"

"Wir waren am 21. Februar ab Mittag unterwegs und haben sehr, sehr viel getrunken“, beginnt er seine Verteidigung. Auch im Café Babsi, das er am späteren Nachmittag verließ. Gegen 18 Uhr traf man sich vor dem nahegelegenen Café Carambol wieder.

„Sie hat Geld gebraucht und mir ihre Bankomatkarte und den Code gegeben, damit ich dort abhebe“, beteuert der Angeklagte. „Wieso ist sie nicht selbst hineingegangen?“, fragt die Richterin. „Weil meine Ex dort war, die verstehen sich nicht.“

Er habe Kreuzer den Gefallen getan, 1000 Euro abgehoben, ihr das Geld draußen übergeben und dann mit seiner Ex-Partnerin zwei Bier getrunken, ehe er heimging. Gegen 23 Uhr habe ihn der Chef des Café Babsi angerufen und gesagt: „Der Carmen geht es so schlecht, die kann ihre Zeche nicht mehr zahlen.“

Er sei hingefahren, um sie zu fragen, was sie mit dem abgehobenen Geld gemacht habe, dann war für ihn die Sache vorbei gewesen. Bis jetzt.

250 Euro in bar

Carmen Kreuzer erzählt als Zeugin eine völlig andere Geschichte. Sie sei im Café Babsi gewesen, in ihrem Rucksack 250 Euro in bar und ihre Geldbörse.

Hermann A. sei irgendwann gegangen. Als sie eine Zwischenrechnung machen wollte, bemerkte sie, dass Geld und Börse fehlten. „Waren Sie betrunken?“, interessiert die Richterin. „Nein, überhaupt nicht“, lautet die amüsierte Antwort.

Auf die Spur sei man dem Angeklagten gekommen, als Herr Karl, der Wirt des Carambol, vorbeischaute. „Ich weiß, wo deine Karte ist“, habe der gesagt. Denn seine Kellnerin habe ihm von der Behebung des Angeklagten berichtet. Und da die Geldnot des Mannes bekannt war, sei das verdächtig gewesen.

Dessen klamme finanzielle Lage will Kreuzer auch mit einem Dokument belegen. Sie zeigt der Richterin einen unterschriebenen Schuldschein über 2000 Euro vom Dezember.

„Das habe ich ihm für die Miete geborgt, und bisher hat er mir erst 700 Euro zurückbezahlt“, sagt sie. „Das war für den Strom“, brummt der Angeklagte, „und die 100-Euro-Raten waren ausgemacht.“

Bankomatcode im Terminplaner

"Woher hatte der Angeklagte Ihren Bankomatcode?", fragt Brandstetter noch nach. "Das habe ich mich auch gefragt. Aber er war ein guter Freund, da kann er immer neben mir am Bankomaten gestanden sein. Außerdem wusste er wahrscheinlich, dass der Code hinten in meinem Terminplaner stand", mutmaßt sie.

Für A. schaut es nach den nächsten Zeugen nicht gut aus. Die Kellnerin des Carambol sagt, er habe nach der Behebung das Lokal nicht verlassen, sondern sich gleich mit seiner Ex an einen Tisch gesetzt.

Das ist ihr aus einem bestimmten Grund erinnerlich: "Bei uns darf man nur Geld abheben, wenn man damit die Rechnung zahlt oder es zum Spielen braucht", schildert sie. A. habe sich dagegen an den Tisch gesetzt und unter diesem irgendwelche Bewegungen gemacht.

"Ich bin dann zu ihm gegangen und habe gesagt, dass er Lokalverbot bekommt, wenn er das Geld anders verwendet." Sie sei direkt aufgebracht gewesen.

Gewanderter Rucksack

Der Wirt des Café Babsi bestätigt, dass Kreuzer durchgehend in seinem Lokal gewesen sei und zur Sperrstunde plötzlich ihr Geld vermisste. Er meint sich auch erinnern zu können, dass sie zunächst ihren Rucksack vermisst hatte, der statt auf dem üblichen Platz plötzlich Richtung WC gestanden sei.

Brandstetter will dennoch einen weiteren Zeugen hören und vertagt. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 5.8.2014)