Markus Swoboda im Kajakboot.

Österreichischer Kanuverband

Vorbereitungen

Foto: Österreichischer Kanuverband

Abgelegt

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Ottensheim – "5, 3, 2, 1, hopp!" György Lentuloy gibt die Kommandos aus dem Motorboot. Nandor Almasi ist verhindert. Er hat das Trainingsprogramm per Handy geschickt. Kurze, schnelle Intervalle. "Sehr schön, Mendy." Mendy ist Markus Swobodas zweiter Vorname und Rufname. Mendy fährt an diesem Tag im Auslegerboot. "Schnell und geradeaus fahren ist noch nicht deine Stärke", ruft Freundin Lisa vom Rücksitz des Motorbootes aus. Mendy ist von der Bahn abgekommen. "Man sieht, ich kann das noch nicht."

Mit dem Auslegerkanu übt Swoboda (24), Parakanute aus Altenberg bei Linz, erst seit Mai. Das Boot mit dem nur einseitig geführten Stechpaddel gerade zu halten ist eine Kunst. Er hat damit begonnen, weil noch nicht feststeht, welche Disziplinen bei den Paralympics 2016 in Rio ausgetragen werden. Möglich, dass in Swobodas Klasse nur der Ausleger zum Zug kommt und nicht der Einerkajak.

Mit dem Auslegerboot hat Swoboda noch nicht so richtig Freude.
Foto: Riezinger

Kanu wird in Brasilien erstmals auf dem paralympischen Programm stehen. Wettkampfmäßig gibt es den Sport erst seit 2009. Swoboda begann 2000, als Zehnjähriger, Kanu zu fahren. Er kam zufällig dazu. Der Oberösterreicher fuhr gegen Nichtbehinderte, tritt heute noch bei Staatsmeisterschaften an. Er hält sich gut.

Unbesiegt im Einerkajak

2010 fuhr er erstmals bei einer WM – im Einerkajak. Er gewann. Wie auch bei allen darauf folgenden Welt- und Europameisterschaften. Meist überlegen. "Manchmal fällt es mir schon schwer, mich zu motivieren." Den meisten seiner Konkurrenten hat er viele Trainingsjahre voraus. "Aber", sagt er, "es ist nicht selbstverständlich, dass ich gewinne." Das Ziel bei der WM in Moskau (ab Mittwoch) ist es dennoch. Im Auslegerkanu will er sich zeitlich verbessern. Bei der EM im Juli in Brandenburg wurde er Vierter. Die Parakanuten tragen Titelkämpfe gemeinsam mit nichtbehinderten Athleten aus. Viktoria Schwarz/Ana Roxana Lehaci (Kajak-Zweier) und Yvonne Schuring (Kajak-Einer) vertreten Österreich ebenfalls in Moskau.

Swoboda wäre gerne Wasserskifahrer geworden – wie sein Vater. Daraus wurde nichts. Als Siebenjähriger geriet er in die Förderschnecke einer Hackschnitzelheizung. Beinamputation. Beidseitig. "Ich kann mich noch genau an den Unfall erinnern. Das war unschön." Er sei froh, dass ihm das Unglück in so jungen Jahren passiert sei. "So musste ich nicht so viel neu erlernen."

Mit Rumpf und Armen

TA heißt Swobodas Klasse im Parakanu. Bedeutet, er kann Rumpf (trunk) und Arme benutzen. Die Prothesen bleiben bei Wettkämpfen am Ufer. Sein Kajak hat er gemeinsam mit seinem Vater extra umgebaut. Das Auslegerboot ist Stangenware.

Swobodas adaptierter Kajak.
Foto: Riezinger

Swoboda ist seine Selbstständigkeit wichtig. "Ich kann mein Boot selbst tragen und alleine einsteigen." Nur die Prothesen müssen ihm gelegentlich in den Zielraum nachgetragen werden, damit er sie bei der Siegerehrung hat. Über seine finanzielle Situation klagt der Chemie-Student nicht. Unterstützung gibt’s über das vom Sportministerium gestützte Team Rot-Weiß-Rot und von der Sporthilfe. "Mehr wäre natürlich nicht schlecht." Aber bis 2011 habe er gar nichts bekommen.

"Wäre Parakanu nicht eingeführt worden, würde ich wahrscheinlich gar keinen Sport mehr betreiben", sagt Swoboda, der nebenher noch schwimmt, Rad und Monoski fährt. "Er kann alles. Das ist so fies", sagt Freundin Lisa, die sich nicht als Sportskanone sieht.

Die Trainingseinheit am Donau-Altarm in Ottensheim bringt Markus Mendy Swoboda schnell hinter sich. Etwa 14 Stunden pro Woche trainiert er. Lieber im Kajak. Dafür ist im Auslegerboot noch Luft nach oben. Lentuloy ist zufrieden. "Mendy lernt schnell." Er sei talentiert und intelligent – eine gute Kombination. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 5.8.2014)