Der chaldäische Patriarch Louis Raphael I. Sako, der in den harten Jahren des irakischen Bürgerkriegs nie die Fassung verlor, verglich vor kurzem den "Islamischen Staat" (IS) mit den mongolischen Horden des Ilkhans Hülagü, die 1258 Bagdad einnahmen, zerstörten und zehntausende Einwohner töteten. Hunderttausende Iraker, vor allem solche, die einer religiösen Minderheit angehören, fliehen heute vor den Jihadisten. Die irakischen Kurden, die einen Teil der Flüchtlinge aufgenommen haben, geraten nun selbst in die Defensive und müssen nicht mehr nur um humanitäre Hilfe, sondern auch um Waffen bitten.

Und es ist nicht die einzige Front. Fast unbemerkt sind in Arsal, im Nordosten des Libanon nahe der syrischen Grenze, Kämpfe ausgebrochen: Jihadisten der Nusra-Front - einer im syrischen Bürgerkrieg kämpfenden Islamistengruppe -, die sich der IS unterworfen haben, stehen dort der libanesischen Armee gegenüber. Eine Fluchtwelle aus dem Gebiet ist im Gange. Auch in Syrien hat sich die Armee des Assad-Regimes mit der IS Gefechte geliefert, das "Problem" aber danach den syrischen Kurden überlassen.

Überall Tote, Verwundete, Flüchtlinge. Der libanesische Drusenpolitiker Walid Jumblatt sprach am Montag von neuen Grenzen, die mit "Eisen, Feuer, Massakern und Flucht" gezogen würden. Der Islamische Staat steht auf den Trümmern der Ordnung, die die Europäer nach dem Ersten Weltkrieg dem Nahen Osten aufgezwungen haben. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 5.8.2014)