Entführungen, Angriffe auf Checkpoints des Militärs und tote Soldaten - in Arsal im Nordosten Libanons ist am Wochenende ein Kleinkrieg zwischen der libanesischen Armee und islamistischen Milizen aus Syrien ausgebrochen. Allein am Montag sind 14 Soldaten getötet und 86 verletzt worden, 40 waren am Dienstag noch in der Hand der syrischen Rebellen. Nach Darstellung von Medizinern und Menschenrechtsaktivisten wurden auch die umliegenden Flüchtlingslager bei den Kämpfen schwer getroffen. Dabei soll eine unbekannte Zahl der aus Syrien geflohenen Menschen getötet worden sein.
Auslöser der Kämpfe dürfte die Festnahme von Emad Ahmad Jomaa, Kommandeur einer syrischen Rebellengruppe, durch libanesische Sicherheitskräfte gewesen sein. Die libanesische Armeeführung bestreitet das und spricht von einem lange geplanten Angriff.
Odyssee
Emad Ahmad Jomaa ist Anführer der Fajr-al-Islam-Brigade. Obwohl er keinen militärischen Hintergrund hat, erwarb er sich im syrischen Bürgerkrieg schnell den Ruf eines guten Kämpfers und Kommandeurs. Der Übermacht der Assad-Truppen stand er dennoch machtlos gegenüber. Jomaa kämpfte zunächst in Kussair und im Kalamoun-Gebirge, das letztlich vom syrischen Regime mit der Unterstützung der libanesischen Hisbollah Schritt für Schritt erobert wurde.
Er zog sich ins syrische Yabroud zurück, danach ins Zamrani-Gebirge bis er schließlich gemeinsam mit tausenden Flüchtlingen im libanesischen Ort Arsal Unterschlupf fand.
Die libanesische Armee behauptete am Wochenende, die Anhänger Jomaas würden für die Jabhat an-Nusra, den offiziellen Ableger der Al-Kaida in Syrien, kämpfen. Dem widerspricht die Nusra-Front selbst. Gegen die Darstellung der libanesischen Sicherheitskräfte spricht auch, dass die Fajr al-Islam vor rund einem Monat ein Video veröffentlichte, auf dem die Kämpfer einen Treueeid auf Abu Bakr al-Baghdadi, Chef des "Islamischen Staates" (IS), leisteten.
Wie viel dieser Schwur wert ist, wird sich erst weisen. Denn für Jomaa scheint Loyalität ein dehnbarer Begriff zu sein - kämpfte sein Verband doch ursprünglich für die Faruk-Brigaden, einen moderat-islamistischen Kampfverband aus Homs. Dort fiel Jomaa nicht mit - für IS und Jabhat an-Nusra typischen - radikalislamischen Exzessen auf. Erst als die Gruppe "Islamischer Staat" große Erfolge verzeichnete, schlug sich Jomaa auf ihre Seite.
Viel Unterstützung vom "Islamischen Staat" hat er dennoch nicht zu erwarten. Die radikalislamische Organisation ist neben dem Irak vor allem im Osten und Norden Syriens tätig.
Fragiler Libanon
Die Kämpfe bleiben indes nicht auf Arsal beschränkt und zeigen so, dass das fragile Gerüst des multikonfessionellen Libanon weiter ins Wanken gerät. In Tripoli brachen am Dienstag Gefechte aus, nachdem bekanntgeworden war, dass mehrere sunnitische Geistliche verletzt worden waren, als sie in Arsal eine Feuerpause vermitteln wollten. (stb, derStandard.at, 5.8.2014)