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Mithat Gedik mit Ehefrau Melanie: ein Schützenkönig wie im Bilderbuch. Nur mit der Religion gibt's Probleme.

Foto: Klaus Tomicek/dpa

Eigentlich ist Mithat Gedik ein Schützenkönig, wie er im Bilderbuch steht: 33 Jahre alt, mit einer Katholikin verheiratet, die vier gemeinsamen Kinder sind katholisch getauft. Auch sonst tut Gedik einiges für das Gemeinwohl: Er leitet als Kaufmann die Filiale eines Unternehmens in Mannheim, er ist in der Freiwilligen Feuerwehr und im Vorstand des Schützenvereins in Werl aktiv.

Dass er ein guter Schütze ist, bewies der in Deutschland geborene Mann am 18. Juli beim Schützenfest. Da schoss er den Vogel ab und wird seither von seinen St.-Georg-Schützenbrüdern in Werl-Sönnern bejubelt. "Wir feierten ein wunderschönes Fest", heißt es auf der Website. Gelobt wird auch, dass der Pastor beim Gottesdienst in seiner Predigt von "gelebter Integration und christlichen Werten" gesprochen habe.

Alles seine Ordnung

Und man freut sich, dass Gedik den Ruhm des Vereins noch mehren will: Er hat sich nach dem Schützenfest zum "Bezirksvogelschuss" angemeldet. Dabei wird aus der Riege der Könige die "Bezirksmajestät" ermittelt.

Doch an dieser Stelle kommt der Bund der Historischen Deutschen Schützenbrüderschaften (BDHS) ins Spiel. Er ist der Dachverband, dem Gediks Verein angehört, und er wacht darüber, dass alles seine Ordnung hat. Im Falle Gediks hat es diese ganz und gar nicht, ist man im BDHS überzeugt. Denn ein Muslim hätte dem Verein gar nicht beitreten, geschweige denn den Vogel abschießen dürfen.

"Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Die haben ihre eigene Satzung nicht gelesen", klagt der Sprecher des BDHS, Rolf Nieborg. Gedik nämlich hätte überhaupt nicht Mitglied der Bruderschaft in Sönnern werden dürfen. Denn in Paragraf 2 der Satzung steht geschrieben, dass die Bruderschaft "eine Vereinigung von christlichen Menschen" sei.

Aber offensichtlich habe niemand Gedik bei der Anmeldung im Verein nach seiner Konfession gefragt, da er so gut integriert sei.

Dachverband droht

Gedik selbst ist fassungslos und erklärt: "Es ist mir völlig unverständlich, dass wir im 21. Jahrhundert solche Diskussionen führen müssen." Er sitzt jetzt viel mit seinen Schützenbrüdern zusammen, um zu beraten, wie es weitergehen soll. Als Schützenkönig abdanken wolle er nicht, zum Christentum zu konvertieren (wie ihm tatsächlich vorgeschlagen wurde), sei auch keine Option. Andererseits droht der Rauswurf aus dem Dachverband.

Doch auch beim BDHS gibt es erhöhten Gesprächsbedarf, denn dieser steht nun unter Dauerbeschuss. Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), kritisiert die Haltung des Dachverbandes als "intolerant" und "diskriminierend". Sie weist auch auf den Vereinszweck der Schützenbrüderschaft in Werl hin - nämlich den "Ausgleich sozialer und konfessioneller Spannungen im Geiste echter Brüderlichkeit".

Peinlichkeit

Der Integrationsminister Nordrhein-Westfalens, Guntram Schneider (SPD), spricht von einem "Stück aus dem Tollhaus" und hofft, "dass diese Peinlichkeit zügig aus der Welt geschafft wird". Es gebe in Nordrhein-Westfalen viele Muslime, die Schützenkönige seien. Dabei handle es sich meist um bürgerliche Vereine. Kritik kommt auch von den Grünen, der FDP und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland. Der Dachverband erwägt nun, einen Kompromiss zuzulassen: Gedik darf Schützenkönig bleiben, aber nicht zum Bezirksschießen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 6.8.2014)