Warten, nicht auf Godot hoffentlich, sondern auf Geld und ein Gespräch: Heinrich Schmidinger und die anderen Rektorinnen und Rektoren kämpfen um mehr Geld für die Universitäten.

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STANDARD: "Ich hatte bis jetzt keinen Kontakt mit ihm", sagten Sie im März über Ihre Erfahrungen mit Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP), der den Unis bis Jahresende das Budget für 2016 bis 2018 nennen muss. Wie schaut's jetzt Anfang August aus - gab es in der Zwischenzeit ein Gespräch?

Schmidinger: Nein, aber wir haben um einen Gesprächstermin im September angesucht. Wir warten auf eine Antwort.

STANDARD: Der Finanzminister spricht nicht mit Ihnen, die SPÖ ist, wie Sie kritisierten, hochschulpolitisch überhaupt komplett "abgetreten" und nicht erreichbar für Sie - hoffnungslose Zeiten für die Unis?

Schmidinger: Dass der Finanzminister zurzeit nicht mit uns spricht, hängt damit zusammen, dass das Unibudget für 2014 und 2015 geklärt und gesetzlich geregelt ist. Was die SPÖ anlangt, gab es positive Reaktionen. Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl hat anrufen und mir ausrichten lassen, dass mich der Eindruck völlig täusche, und sie hat mich zu einem Gespräch eingeladen.

STANDARD: Ihr Hoffnungsträger ist Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner, den Sie bisher sehr gelobt haben. Er zeigt aber erste Absetzbewegungen vom ursprünglich gemeinsam vertretenen Finanzbedarf der Unis. Statt einer Milliarde Euro mehr - ohne verschobene Studienplatzfinanzierung - kündigte er zuletzt "plus/minus" 615 Millionen an, wenn überhaupt.

Schmidinger: Er hat sich von der Milliarde nicht verabschiedet. Er hat nur gesagt, dass darin alles Platz haben muss, nicht nur die Universitäten, sondern auch die anderen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Das ist bis jetzt der Unterschied. Er glaubt, etwas anderes sei unrealistisch, aber wir brauchen diese Milliarde.

STANDARD: Dieser Betrag würde nur reichen, um die Inflation abzugelten. Das Ziel, zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für den Hochschulsektor, scheint nur noch rhetorischer Bestandteil der politischen Sonntagsliturgie zu sein...

Schmidinger: Wir können mit den 615 Millionen Euro mehr den derzeitigen Betrieb und das Erreichte fortsetzen. Im internationalen Vergleich sieht es ganz anders aus. Es gibt Länder, vor allem jene, mit denen wir uns vergleichen wollen, Deutschland, die Schweiz, die angelsächsischen Länder, die unvergleichlich viel mehr investieren. Da fallen wir natürlich zurück. Der andere Punkt ist der Umgang mit dem Zwei-Prozent-Ziel, das alle Parteien im Nationalrat gemeinsam beschlossen haben, und das die Regierung auch noch einmal in ihr Programm aufgenommen hat. Diesbezüglich müsste man offen sagen, wir erreichen dieses Ziel nicht, oder wir wollen es nicht erreichen. Auch darüber wird mit dem Finanzminister zu reden sein.

STANDARD: Wissenschaftsminister Mitterlehner appellierte in diesem Zusammenhang an die Unis, ihre Effizienz zu steigern, sodass fünf bis zehn Prozent der Mittel sinnvoller eingesetzt werden könnten. Arbeiten die Unis ineffizient?

Schmidinger: Nein, die Unis haben in den letzten zehn Jahren, in denen es die Autonomie gibt, sehr viel erreicht. Sie haben viel investiert und sich weiterentwickelt. Sie als ineffizient zu betrachten, wäre völlig ungerecht und falsch. Man kann allerdings Universitäten nicht mit Wirtschaftsunternehmen vergleichen, die vielleicht eher einmal fünf, zehn Prozent einsparen können. Das ist bei den gesetzlichen Verpflichtungen der Unis viel schwerer möglich.

STANDARD: Woher sollte die Regierung das Geld für die Unis holen? Sie sagen: "Auch bei Sparbudgets bleibt immer noch die Frage der Prioritätensetzung." Wie wäre Ihre Priorität - zulasten von wem?

Schmidinger: Die Regierung oder der Staatshaushalt würde sicher entlastet, wenn es etwa zu einer Verwaltungsreform in vielen Bereichen käme.

STANDARD: Der Wissenschaftsminister möchte für Jus und Sprachen Zugangsverfahren. Ist das auch ein dringender Wunsch der Unis?

Schmidinger: Ich gestehe: Obwohl das Thema Zugangsregelungen die Universitätenkonferenz dauernd beschäftigt, hat der genannte Vorschlag im Augenblick keine Priorität. Die Frage der finanziellen Sicherstellung der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode steht für uns jetzt im Vordergrund. Ich würde mir aber wünschen, dass das Thema Zugangsregelungen grundsätzlich und nicht bloß anlassbezogen diskutiert wird, ganz besonders im Zusammenhang mit der Anfang Juni präsentierten Studie des Instituts für höhere Studien über die sogenannten Drop-outs. Damit hat sich die Politik bis jetzt noch überhaupt nicht auseinandergesetzt.

STANDARD: Laut dieser IHS-Studie wird das Phänomen Drop-outs quantitativ überschätzt. Aber es kam heraus, dass 40 Prozent der Studienanfänger in den ersten beiden Semestern kaum Prüfungen machen, 24 Prozent sind komplett studieninaktiv und absolvieren keine einzige Prüfung. Ist das ein Systemfehler oder kann diese Zeit an der Uni vielleicht auch ohne Abschluss wertvoll sein, auch wenn sie die offizielle Statistik "versaut"?

Schmidinger: Momentan sind diese Effekte sicher auch durch unser System bedingt. Wir haben einen sehr liberalen Hochschulzugang, der ermöglicht, dass Studierende beliebig viele Studien inskribieren. Dadurch kommt es zu dem Problem, dass sie zu einem markanten Teil nicht das tun, was sie tun sollten, nämlich zu Prüfungen anzutreten und die Studien abzuschließen, dass sie aber trotzdem Kosten verursachen. Das verzerrt die Realität. Deshalb wäre eine Grundsatzdiskussion zu diesem Thema so wichtig.

STANDARD: Ist das Studienrecht in Österreich zu liberal?

Schmidinger: Der Staat kann sich mit gutem Grund zu diesem völlig liberalen Studienrecht bekennen. Er muss dann aber die Folgen tragen. Jedenfalls hätte er die Universitäten in die Lage zu versetzen, diesem Studienrecht auch entsprechen zu können. Diese Liberalität hat Konsequenzen - und die werden bis jetzt nicht gezogen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 6.8.2014)