Nicola Sturgeon weiß, was sie ihrer schottischen Nationalpartei SNP schuldig ist. Pflichtbewusst beteuerte die stellvertretende Ministerpräsidentin am Dienstagabend: Natürlich habe ihr Boss Alex Salmond die TV-Debatte zum Unabhängigkeitsreferendum in sechs Wochen gewonnen. Doch glaubwürdig wirkte Sturgeon da ebenso wenig wie der schottische Premier in den 90 Minuten zuvor.
In der Hitze der Scheinwerfer musste sich der 59-jährige Nationalist bohrende Fragen nach Einzelheiten seines romantischen Plans von Schottland als einer „stolzen unabhängigen Nation“ gefallen lassen. Viele sprachen anschließend von einem Remis im Duell mit Alistair Darling, dem Chef der Dachorganisation Better Together. Eine - allerdings nicht repräsentative - Umfrage des ICM-Instituts erklärte sogar den 60-jährigen Labour-Politiker mit 56 zu 44 Prozent zum Sieger.
Das lief den Erwartungen zuwider. Salmond gilt als eleganter Debattierer, höchstens gelegentlich in der Gefahr, seinen Sprachwitz mit einem allzu selbstgefälligen Grinsen zu kombinieren. Ex-Finanzminister Darling wurde hingegen schon zweimal zum "langweiligsten Politiker des Landes" gewählt. Triumphierend sprachen Nationalisten vorab davon, das TV-Duell werde ausgehen "wie die Schlacht von Bannockburn" - jene Demütigung der Engländer durch Schottlands König Robert the Bruce, deren 700. Jubiläum im Juni gefeiert wurde.
Weit gefehlt: Nach nervösem Start gingen die beiden bald in den Nahkampf. Wie erwartet spielte dabei das Geld eine wichtige Rolle. Die großen gesamt-britischen Parteien haben nämlich bereits vor Monaten versichert, nach der etwaigen Unabhängigkeit müsse sich die Nordprovinz eine eigene Währung zulegen - ein gemeinsames Pfund sei ausgeschlossen.
Drohung mit der Währung
Salmond tat dies wie stets als Einschüchterungsversuch ab. Da kam er bei Darling an den Falschen: "Stellen Sie sich vor, dass Sie falsch liegen!" Sollte London tatsächlich die Währungsunion verweigern - "worin besteht dann Ihr Plan B?" Dass der Premier lahm antwortete, deutete auf schlechte Vorbereitung hin.
In anderen Momenten wirkte Salmond, als müsse er eingelernte Phrasen loswerden. Kostbare Sekunden verstrichen mit merkwürdigen Behauptungen, Unionsbefürworter würden Panik machen und Schottland den Rechtsverkehr verordnen. Darling schüttelte den Kopf: "Alex, wissen Sie eigentlich, was ein Witz ist?"
Freilich machte auch der Labour-Mann zeitweilig den Fehler, direkten Fragen langwierig zu begegnen. Ob Schottland ein "erfolgreiches unabhängiges Land" sein könne, wollte Salmond wissen - und weil Darling auswich, stellte er die Frage insgesamt 21-mal. Darling betonte ein ums andere Mal, den fünf Millionen Schotten sei in der Gemeinschaft mit 57 Millionen anderen Briten besser gedient als allein.
Kein K.-o.-Sieg also, auch nicht jener Triumph, den sich die Nationalisten erhofft hatten. Der Abstand zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit bleibt bei 58:42 Prozent. Doch hat die TV-Debatte die Unschlüssigen überhaupt erreicht? Beide Seiten betonen die Bedeutung der Arbeiter, die jahrzehntelang Labour gewählt hatten, zuletzt aber der Urne häufig fernblieben oder sogar für Protestparteien wie Ukip stimmten. Wenn sie diese Menschen für gewinnen wollen, müssen Salmond und Co in den letzten sechs Wochen überzeugender werden. (Sebastian Borger, derStandard.at, 6.8.2014)