Berlin - Die Strahlentherapie ist und bleibt für die Behandlung von Lymphdrüsenkrebs (Hodgkin-Lymphom) - auch im Frühstadium - unverzichtbar. Zu dieser Einschätzung ist die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) anlässlich der Ergebnisse einer europäischen Studie gekommen. Patienten und Patientinnen ohne zusätzliche Strahlentherapie hatten häufiger Rückfälle erlitten.

In Österreich dürften pro Jahr etwa 200 Menschen an einem Hodgkin-Lymphom erkranken, einer Krebserkrankung der Lymphdrüsen. Früher war das Hodgkin-Lymphom unheilbar. Heute überleben mehr als 90 Prozent der Patienten. "Die Behandlung besteht im Frühstadium aus einer lokalen Bestrahlung mit vorhergehender Chemotherapie", erläuterte Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim.

Bestrebungen, auf Bestrahlung zu verzichten

Die Strahlentherapie hat sich nach Auskunft des Experten in den letzten Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt. "Mit den modernen Geräten kann die Bestrahlung exakt auf die Regionen begrenzt werden, die vom Tumor befallen sind, im Frühstadium des Hodgkin-Lymphoms sind dies häufig die Lymphknoten im Halsbereich", erklärte der DEGRO-Pressesprecher vor kurzem in einer Aussendung.

Die Folgen der Bestrahlung auf der Haut, die allgemeine Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen nach der Radiotherapie und insbesondere Spätnebenwirkungen seien heute seltener geworden. Dennoch gebe es seit Jahren Bestrebungen, auf die Bestrahlung zu verzichten. Wenz: "Dies ist verständlich, da bei vielen Patienten nach der am Anfang der Behandlung stehenden Chemotherapie nur geringe Reste von Lymphknotenvergrößerungen, bildgebend nachweisbar sind, die vermeintlich als geringes Risiko gewertet werden."

Abbruch der Studie nach Zwischenauswertung

Mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) wurde in den vergangenen Jahren ein bildgebendes Verfahren entwickelt, das auch kleinere Tumorreste sichtbar macht und zwischen aktiven und inaktiven Resttumoren unterscheiden kann. Die H10-Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) hat deshalb untersucht, ob bei Patienten, bei denen nach einer anfänglichen Chemotherapie keine aktiven Herde mehr im PET sichtbar sind, auf eine Bestrahlung verzichtet werden kann. An der Studie nahmen 1.137 Patienten und Patientinnen in Frühstadien I und II aus mehreren europäischen Ländern teil, bei denen erst wenige Lymphknotengebiete befallen waren.

"Nach einer geplanten Zwischenauswertung musste die Studie abgebrochen werden", berichtete Theodor Eich, Direktor der Klinik für Strahlentherapie/Radioonkologie am Universitätsklinikum Münster und Sprecher des Radiotherapie-Expertenpanels der Deutschen Hodgkin Lymphom Studiengruppe (GHSG): "Nach dem Verzicht auf eine Radiotherapie war es deutlich häufiger zu einem Tumorrückfall gekommen. Dieser trat auch in einer Gruppe von zumeist jüngeren Patienten auf, deren Heilungschancen als sehr hoch eingestuft wurden."

Vermehrt frühzeitige Rezidive

Wider Erwarten traten bei Patienten, bei denen eine Bestrahlung nach Abschluss der Chemotherapie nicht durchgeführt wurde, vermehrt frühzeitige Rezidive auf. Eich: "Bei Verzicht auf eine Strahlentherapie, selbst bei negativer PET-Diagnose, steigt die Rezidivrate um fünf Prozent."

Deshalb sei weiterhin eine Strahlentherapie zusätzlich zur Chemotherapie anzuraten. Nach einem Rückfall haben viele Patienten zwar noch eine zweite Heilungschance durch eine Hochdosis-Chemotherapie, diese ist allerdings zumeist mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden, die durch eine Strahlentherapie bei der Erstbehandlung vermieden werden können. "Für einige Patienten gibt es nach einem Rückfall keine Rettung mehr, weil sie die Strapazen der Therapie nicht überstehen würden", warnte der Experte aus Münster. (APA, 7.8.2014)