Kaufen Sie sich Remastered Editions von Spielen, die Sie bereits besitzen?

Screenshot: "GTA 5" (Montage)

Die neue Konsolengeneration fängt dort an, wo die letzte aufgehört hat: Zu den größten Veröffentlichungen des heurigen Jahres für PlayStation 4, Xbox One (und PC) gehören Werke, die vor einiger Zeit bereits für PlayStation 3 und Xbox 360 erschienen sind. Etwas aufgehübscht, in schärferer Auflösung und mit allen bisher veröffentlichten Zusatzinhalten: Ganz oben auf der langen Liste der "Remastered Edtions" stehen 2014 "Grand Theft Auto 5" (PC, PS4, XBO), "The Last of Us" (PS4) und "Halo: The Master Chief Collection" (XBO).

In Foren hört man nicht nur Gutes über diesen Aufbereitungstrend. "Ein kreatives Armutszeugnis für die Industrie", monieren die einen. "Reine Geldmacherei", beklagen die anderen. Hersteller sollten sich lieber auf neue Produktionen fokussieren, anstatt ihr Familiensilber aufpoliert neu zu verkaufen. Wenngleich diese Argumentationen bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar sind, spricht auch recht viel für solche HD-Neuauflagen.

Remastered, eine Chance

Blickt man auf die Verkaufszahlen und das Leserinteresse an dazugehörigen Artikeln, ist der Bedarf daran definitiv gegeben. Und was ist falsch daran? Eine Remastered Edition ist schließlich in erster Linie ein Angebot, das man annehmen kann, aber nicht muss. Hat man ein Spiel besonders lieb gewonnen, wird man selbst Monate und Jahre nach dem ersten Durchgang noch Freude daran haben. Dieses Juwel in geschliffener Fasson wiedererleben zu können, ist eine Möglichkeit, die positiven Erinnerung zu entpixeln und in aktueller Qualität aufs Neue zu erfahren. "GTA 5" in 1080p und flüssiger Bildrate zu sehen, ist für viele Anreiz genug.

Gleichzeitig sind Remakes ein Chance für all jene Spieler, die einen Hit von Gestern verpasst haben. "The Last of Us", einer der den Kritikern zufolge besten Blockbuster der vergangenen Generation, ist nur auf PS3 erschienen. Die nun herausgegebene PS4-Fassung ist ein Weg für Plattformumsteiger und Konsolenneulinge, dies nachzuholen. Sony zufolge besaßen lediglich 30 Prozent der aktuell rund neun Millionen PS4-Spieler eine PS3. Gleiches gilt für Leute, die "Halo" bisher nicht zocken konnten, weil sie keine Xbox 360 hatten oder damals zu jung für die erste Xbox waren. Hat man eine Xbox One, steht zu Weihnachten die gesamte Serie in einer Kollektion bereit.

Die Spreu vom Weizen

Für Spieler gilt es vor allem die Spreu vom weizen zu trennen und abzuwägen. Zahlt es sich aus, eine Neuauflage zu kaufen, wenn ich das Original bereits besitze? Die technische Überarbeitung ist, sofern es sich nicht um ein komplettes Remake samt neuer Grafik-Engine handelt, in den meisten Fällen kosmetischer Natur. Eine höhere Auflösung und hübschere Schatten machen das Spiel schöner, aber nicht inhaltlich besser. Schmackhafter wird das Angebot dann, wenn New-Gen-Umsetzungen bisher veröffentlichte Zusatzinhalte zum Normalpreis beigelegt sind oder eine ganze Serie, wie bei "Halo", zu den Kosten eines einzigen Werks feilgeboten wird.

Gutes Geschäft

Das Potenzial für diese HD-Remakes ist unter diesen Gesichtspunkten groß. Denn selbst wenn sich ein "The Last of Us" auf PS3 gut verkauft haben mag (über sieben Millionen Mal), ist damit die Decke noch lange nicht erreicht. Es gilt neun Millionen potentielle PS4-Besitzer zu bedienen. Für die Hersteller ist dies daher zweifellos ein gutes Geschäft. Die Aufbereitung benötigt nur einen Bruchteil der ursprünglichen Ressourcen und Entwicklungszeit und findet im Paket mit Bonusinhalten selbst zum Vollpreis ein Publikum.

Das Melken der Cashcow kann in Extremfällen obszöne Ausmaße annehmen - George Lucas weiß definitiv wie es geht. Doch daraus kann auch eine Win-Win-Situation für Entwickler und Konsumenten entstehen. Für Studios ist es eine praktisch risikofreie Einnahmequelle und gleichzeitig ermöglichen Fans durch den Kauf dieser Neuauflagen im Idealfall den Entwicklern mehr (finanziellen) Spielraum für neue Projekte. Wenn sich das letzte "Tomb Raider" erst durch den Verkauf der ein Jahr später erschienenen PS4- und XBO-Ausgaben rentiert und somit vielleicht den Fortbestand der Serie weiter abgesichert hat, ist das für alle Beteiligten positiv.

Einfache Entscheidung

Aus dem zunehmenden Trend zu HD-Remakes können Gamer letztendlich die gleiche Lehre ziehen, wie aus dem Usus der Herausgeber, einige Monate nach der Veröffentlichung eines Titels eine "Game of the Year"-Edition zu veröffentlichen: Wer nach dem besten Preis/Leistungsverhältnis Ausschau hält, sollte Games nicht zum Marktstart erwerben. Und erachten Sie derartige Neuauflagen als pure Geschäftemacherei, einfach zurücklehnen und nicht kaufen. Nicht Internetforen und soziale Medien, sondern Geld ist die stärkste Stimme des Konsumenten. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 9.8.2014)