Graz/Wien - Nach der Vergabe des Song Contests 2015 an Wien hat es am Donnerstag aus Graz bedauernde bis erboste Reaktionen gegeben: Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) fand es zwar schade, hofft aber auf indirekten Profit, wenn andere Veranstaltungen ersatzweise nach Graz kommen. Seine Stellvertreterin Martina Schröck (SPÖ) sowie Tourismuslandesrat Hermann Schützenhöfer (ÖVP) zeigten sich verärgert.

Nagl betonte, dass sich "nicht Graz mit der technisch besten Halle oder Innsbruck mit dem wohl besten finanziellen Angebot durchgesetzt hat." Parteikollege Finanzstadtrat Gerhard Rüsch habe bereits mit Mitbewerber Innsbruck telefoniert, hieß es aus dem Büro des Bürgermeisters. Man wolle die Hintergründe für die Entscheidung wissen und "alle Zahlen auf den Tisch bekommen" - gerade weil es eine große Ausschreibung inklusive Anforderungskatalog gab.

Schröck fand die Entscheidung "überaus bedauerlich": "Diese Konzentration auf Wien, wenn es um internationale Veranstaltungen geht, hat zwar leider bereits Tradition und kommt daher wenig überraschend, verärgert aber dennoch immer wieder aufs Neue." Sie habe sich von den Entscheidungsträgern mehr Mut gewünscht. Außerdem solle Nagl Rückmeldung einholen, was gegen Graz gesprochen habe. Schröck erwarte, dass Innsbruck und Graz nun in das Programm einbezogen werden.

Geld der Gebührenzahler

Die Grazer ÖVP wolle, dass der Stiftungsrat einen Einblick in die finanziellen Hintergründe der Vergabe nimmt. Danach könnten Gerüchte - Wien soll bei weitem nicht das günstigste Angebot gelegt haben - entkräftet werden. Das sei insbesondere interessant, weil es sich um das Geld der Gebührenzahler handle. Tourismuslandesrat Schützenhöfer gab sich gefasst, kritisierte aber die monatelange Ausschreibungs-Prozedur: "Wenn man sagt, Wien war eine strategische Entscheidung, hätte man sich die ganze Ausschreibung ersparen können."

Für den Landeshauptmannstellvertreter lasse die Vorgangsweise Fragen offen und habe insgesamt einen "schalen Beigeschmack" - zumal ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eine Nähe zum Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl habe: "Es hätte keiner besondere Einwände gehabt, wenn man gleich gesagt hätte, der Song Contest ist Sache der Bundeshauptstadt." Dann hätte man sich Kosten für die Bewerbung erspart.

Gemeinderat Philip Pacanda von der Piratenpartei forderte per Aussendung eine Offenlegung genau dieser Kosten: "Es kann nicht sein, dass Graz externe Firmen beauftragt, Geld der Grazerinnen und Grazer ausgibt und im Nachhinein keiner weiß, was es gekostet hat." Er erwarte sich im September in der Gemeinderatssitzung einen detaillierten Bericht.

Graz-Tourismus-Geschäftsführer Dieter Hardt-Stremayr nimmt die Entscheidung "zur Kenntnis": "Wenn die Wiener Stadthalle geeignet ist, spricht viel für Wien. Wenn sie nur bedingt geeignet ist, besteht Diskussionsbedarf. Aber das Gesamtpaket scheint in Wien ein besseres gewesen zu sein." Graz entgehe damit natürlich ein enormer Werbewert und volle Betten für die halbe Steiermark. Der Mai sei aber auch ohne Song Contest für die steirische Landeshauptstadt "Hochsaison". (APA, 7.8.2014)